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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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allerdings ein weiterer Umstand, und das wog schwerer als die Summe aller übrigen. Schon in ihrem letzten Schuljahr war Rose zu keiner der zahlreichen Nachmittagsveranstaltungen losgezogen, die sie seit ihrem vierzehnten Geburtstag entweder als »Fortbildungsseminare« oder als »Arbeitsgemeinschaften« deklariert hatte. In besonders pessimistischer Stimmung pflegte Liesel in Wehmut zurückzuschauen. Da bedauerte sie nicht nur sich selbst und die Veränderungen, die die Zeit mit sich brachte. Obwohl sie es als eine besonders skurrile Pointe des Lebens empfand, vermisste sie nun, da das große Schweigen Einkehr gehalten hatte, die hitzigen Diskussionen, die im Verlauf der Jahre zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden waren. So hatte Liesel wochenlang mit ihrer aufmüpfigen Tochter debattiert, wie sinnvoll - oder gar wahrscheinlich - es wohl wäre, dass eine Schule in London Seminare zur Fortbildung von künftigen Landwirtinnen anbot oder Arbeitsgemeinschaften, die sich mit den Problemen der allein stehenden Frauen von Samoa beschäftigten. Die Plötzlichkeit, mit der solche Fragen nun ihre Bedeutung verloren hatten und ihre Tochter zugleich die Lust am häuslichen Zweikampf, erschien Liesel symbolisch.
    »Vielleicht«, sagte Emil, nachdem Rose an sechs Abenden in Folge das Haus nicht mehr verlassen und bei den
    Mahlzeiten nur das zu sich genommen hatte, was zum Überleben nötig schien, »will sie Nonne werden. So was gibt’s.«
    »Besonders oft in jüdischen Familien, habe ich mir sagen lassen. Kannst du denn nicht einmal ernst sein? Rose ist doch auch deine Tochter. Vielleicht erinnerst du dich an die Nacht, als sie geboren wurde.«
    »Und ob! Habe ich da nicht geschworen, ich würde sie so verwöhnen, dass kein Mann sie heiraten will und sie für immer bei uns bleibt.«
    »Das hast du, mein Lieber. Und es ist dir voll gelungen. Ich meine natürlich das Verwöhnen. Ansonsten habe ich neulich bei der Barmitzwa von Bennie Nash läuten hören, dass es derzeit keine guten Absatzmöglichkeiten für verwöhnte jüdische Prinzessinnen gibt. Stattdessen steht die vom Manne unabhängige Frau, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen kann, hoch im Kurs. Am Ende ist es vielleicht gar kein Zufall, dass so plötzlich Schluss mit Freddy Morton ist.«
    »Bist du wahnsinnig geworden? Oder frühzeitig altersblind? Du willst doch nicht sagen, dass meine bezaubernde Rose, die schönste aller Blumen auf Gottes schöner Erde, keinen Mann finden wird, nur weil ihr rechtzeitig aufgegangen ist, dass Freddy Morton ein mieser kleiner Blender mit abstehenden Ohren und angeberischen Krawatten ist? Mensch, der ist doch in Schuhen einen Kopf kleiner als ich nackt. Auch wenn er Maßschuhe trägt wie ein alter Knacker. Wenn du ein Mann wärst, Liesel Procter, würde ich dich auf der Stelle zum Duell fordern. Mit scharfer Pistole. Vor dem Buckingham Palace. Drittes Pferd links.«
    »Pistolen werden nicht geschärft. Das sind Degen. Pistolen werden geladen. Ich sag’s noch einmal für die in der letzten Reihe: Ich habe in erster Linie vom Verwöhnen gesprochen und dass dir das bei Rose perfekt gelungen ist.«
    »Es ist besser, ein Kind zu verwöhnen, als ihm mit unseren Forderungen und Hoffnungen allen Lebensmut zu nehmen, ehe es Zeit gehabt hat, überhaupt Mut zu entwickeln. Stell dir vor, wie hätten unsere arme Rosie darauf gedrillt, so schlau und ehrgeizig zu werden wie die hässlichen Mädchen, denen gar nichts anderes übrig bleibt, als bienenfleißig zu studieren, Karriere zu machen und unabhängig von den Männern zu werden. Ich kenne solche Typen. Im Pub zünden sie sich eine Zigarette an der anderen an und starren in ihr Bierglas.«
    »Seit wann gehst du ins Pub? Und bist du ganz sicher, dass Gott dich mit einer durchschnittlichen Portion Intelligenz und genug Verantwortungsbewusstsein bedacht hat, um wenigstens eine arme Kirchenmaus zu ernähren?« »Warum sollte ich Mäuse ernähren, die sich in Kirchen herumdrücken? Ich bin doch jüdisch. Komm, Liesel, fühl mir doch nicht so gnadenlos auf den Zahn. Lass uns beiden eine faire Chance, nicht hysterisch zu werden. Glaubst du wirklich, dass du die Einzige bist in diesem Haus, die das Gras wachsen hört? Auch Väter haben Augen. Und Phantasie.«
    Hohe Ansprüche waren von diesen klugen Eltern nie an ihre Kinder gestellt worden. Schon gar nicht an Rose, die immer nur den einen Ehrgeiz hatte: aus ihrem Charme und ihrer Schönheit, ihrer Freundlichkeit und dem Talent, allen zu

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