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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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immer in der neuesten Mode gewan-dete Rose den Löwenanteil ihrer Aufmerksamkeit hatte zukommen lassen, waren auf einen Schlag verschwunden. Männliche Wesen schienen aus dem Leben der atemberaubend schönen Rose Procter verbannt, um deren Zuneigung sich die Jungen gerissen hatten, weil sie selbst bei einem enttäuschenden Kinobesuch, bei dem die Regentin Hand, Kuss und Herz verweigert hatte, mit einem einzigen Augenaufschlag jeden Teenager ab dem siebzehnten Lebensjahr zu überzeugen wusste, dass er schon ein Mann war und ganz bestimmt bald auch ein Prinz sein würde, der nur wach geküsst werden müsste.
    Nun sah es so aus, als würde sich Rose, die mit erschöpf-ten, ratlosen, immer kompromissbereiten Eltern um jede Stunde ihrer Nachmittage und Abende so feurig gekämpft hatte wie der heilige Georg mit dem Drachen, nicht mehr für die Welt interessieren. Auch äußerlich war nicht zu übersehen, dass Kurzweil und Genuss nicht mehr ihre Lebensuhr in Gang hielten. Morgens lächelte sie ausschließlich ihr Spiegelbild an, und abends ging sie mit ebenso verdüstertem Büßergesicht zu Bett. Noch vor dem Frühlingsball, für den sie von ihrem Vater einen giftgrünen Hauch von Kleid und silberne Schuhe erbettelt hatte, brach sie - ohne Begründung - den Tanzkurs für Fortgeschrittene ab, den sie mit Engelszungen und Löwenkrallen durchgesetzt hatte.
    Vier Monate zuvor hatte sie sich zur großen Freude ihrer Mutter und zur Begeisterung ihrer Großmutter mit dem jungen Freddy Morton als festem Partner in einer renommierten Tanzschule in Knightsbridge angemeldet. Emil stöhnte noch ein Jahr später, wenn er an die monatlichen Gebühren des klassenbewussten Instituts dachte, das vor der Aufnahme seiner Schüler zwei Bürgen verlangte. »Freddy«, ächzte Emil auf dem Höhepunkt des Familienjubels, »erscheint mir eine verdammt hohe Investition für einen Waisenjungen in meinen Verhältnissen.« Freddy, in der Familie Procter nur kurzfristig die begehrte Trophäe auf einem Heiratsmarkt mit enormem Erfolgsdruck, war der Sohn eines überaus vermögenden Kaufhausmagnaten, von dem man sich im Flüsterton erzählte, er hätte von Jahr zu Jahr mehr Anteile bei Liberty’s und Selfridges und verhandele sowohl mit Harrods als auch mit zwei führenden Häusern in Paris. Berichtet wurde zudem, dass der emsige Geschäftsmann, den kaum einer derjenigen, die von ihm sprachen, je zu Gesicht bekommen hatte, »in den besten
    Kreisen des britischen Adels verkehrte, obgleich er sein Judentum nie verleugnete«.
    Liesel hatte zwar die ehrgeizigen und schamlos kalkulierenden Frauen immer verachtet, für die die »gute Partie« ihrer schönen Töchter ein von Gott gesegnetes Traumziel war, und doch hatte sie sich spätestens nach dem Kauf der exquisiten Ballrobe als eine Teilnehmerin an dem alten jüdischen Planspiel erwischt. Ohne auch nur zu erröten und wahrlich nicht allein vor dem Einschlafen, hatte sie sich vorgestellt, aus ihrer Rose und Raphael Mortons Freddy könnte ein Paar der allerbesten Gesellschaft werden, das bestimmt in Knightsbridge oder in Belsize Park residieren würde. Mit Autos der Luxusklasse und Dienstboten und Kinder, die schon bei der Geburt in den besten Privatschulen des Landes angemeldet wurden. Der junge Morton, der seit zwei Jahren plante, mit dem Studium der Volkswirtschaft zu beginnen, war nicht nur reich und ein Einzelkind. Obwohl von eher zierlicher Gestalt, sah er blendend aus und war Liesel in den flüchtigen Momenten, da sie mit ihm zusammentraf, wenn er Rose wie ein altmodischer Kavalier zu den Tanzabenden abholte, wohltuend höflich und ebenso wohltuend bescheiden erschienen.
    Martha, von Samy mit der überbordenden Phantasie und Lust am Fabulieren immer dazu angehalten, in ihren Tagträumen nur in ganz feinen Wolkenkuckucksheimen zu logieren, hatte sich schon in einem grauen Samtkleid von Harrods an der Hochzeitstafel sitzen sehen, an der Seite von Freddys vornehmer Großmutter, von der es hieß, sie sitze in der Synagoge grundsätzlich in der ersten Reihe und würde sich trotz ihres Alters und Buckels ihre Garderobe aus Paris kommen lassen und ihre Hüte bei der gleichen
    Putzmacherin wie die Mutter der Queen bestellen. Und nun ging Rose, diese einmalige Trumpfkarte einer Großmutter, um den sie selbst Frauen beneideten, die keine Enkelinnen hatten, noch nicht einmal mehr am Mittwochnachmittag ins Kino, was sie seit ihrem zwölften Lebensjahr getan hatte.
    Noch verdächtiger war ihrer beunruhigten Mutter

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