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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Dankgebet eines erleichterten Vaters. Das nächste Kind, das habe ich mir geschworen, bleibt Analphabet.« »Ach, Emil, wenn ich nur halb so gleichmütig und genügsam wäre wie du und dann auch noch deinen Humor hätte, ich würde den ganzen Tag lachen.«
    »Das würdest du noch nicht mal dann tun, meine geliebte Liesel, wenn du Oscar Wilde geheiratet hättest oder den Clown vom Moskauer Staatszirkus. Wahrscheinlich lachen Mathematiker nie. Sie dividieren das Leben. Freude geteilt durch Leid ergibt Vorsicht mal Klugheit. Achtung, eben hast du gelächelt. Aber gerade weil du so ernst bist und dazu noch von der Idee besessen, der Mensch muss das Haar in der Suppe suchen, ehe er den Löffel in die Hand nimmt, liebe ich dich. Dein Ernst gibt einem Mann wie mir, der einfach nur leben und dabei vergessen will, was das Leben den Menschen antut, so ein schönes Gefühl der Geborgenheit.«
    »Hast schon Recht. Wir haben es wirklich gut getroffen. Meistens weiß ich das ja.«
    Liesel hätte gern gewusst, ob Emil alles meinte, was er sagte, und ob er nicht in dem Teil seiner Vernunft, der sich der Realität zu stellen wusste, doch genau wie sie befürchtete, jede Lebenswende würde neue Probleme bringen. Und neue Gefahren.
    »Was meinst du um Himmels willen? Was für Gefahren?« Sie erschrak, als sie merkte, was geschehen war, und noch mehr, weil seine plötzlich angespannten Züge ihre Ahnungen bestätigten. Emils Vertrauen in die Zukunft war offenbar längst nicht so fest fundamentiert, wie er sie glauben machte. »Nichts ist«, sagte sie vage. »Ab einem gewissen Alter neigen manche Frauen eben dazu, Gespenster zu sehen. Nimm das nicht so ernst. Das geht vorüber.« »Gespenster wirst du nie sehen, Liesel. Selbst dann nicht, wenn du so alt bist, dass du die Schaufensterpuppen bei Selfridges fragst, wo das nächste Damenklo ist.«
    »Oder die Intarsientische«, erwiderte Liesel.
    Sie schämte sich umgehend und warf sich vor, ihr Gedächtnis wäre besser als ihr Charakter und ihre Manieren. Trotzdem lachte sie so herzhaft, als wäre der auf der Wunschliste zurückgebliebene Tisch ein alter Witz und nicht eine frische Narbe. Emil ließ sich nicht in die Irre führen. Nur brauchte er für seine Antwort mehr Zeit als üblich. Schließlich sagte er, wenn er nicht genau im Bilde wäre, würde er Liesel für Rose’ ältere Schwester halten. »Nur ein bisschen älter«, schränkte er ein und zwinkerte mit dem linken Auge, wobei er feststellte, dass es längst nicht so beweglich war wie das rechte, das im Allgemeinen für Schmeicheleien zuständig war. Er hätte gern gepfiffen. Allein ihm fiel keine passende Melodie ein.
    Weil er so jung und gesund und lebensbejahend aussah, fragte sich Liesel, ein paar Herzschläge zu lange, ob er solche Komplimente wohl schon mal einer anderen Frau gemacht hatte. Schweigend genossen beide, jeder für sich und doch auf einer gemeinsamen Wanderschaft, die Harmonie, die sich in ihrer Ehe von Anbeginn als gegenseitige Rücksichtnahme getarnt hatte. Sie beobachteten ein Rotkehlchen, das seit einigen Tagen den Garten mit ihnen und dem Eichhörnchen teilte, das für Marthas Nusskuchen und für die Südtiroler Äpfel schwärmte, die Emil alle zwei Wochen von einem indischen Obsthändler in Covent Garden mitbrachte. Wie immer in den Glücksmomenten ihrer Ehe dankten sie - im stummen Gebet und doch so beredt wie die biblischen Propheten -, dass Gott sie auf einer Parkbank im liebesfeindlichen Londoner Märzwind zusammengeführt hatte. Ohne Trauer, denn sie hatten nicht gemerkt, was ihnen widerfuhr, und den Zeitpunkt verpasst, an dem sich Wege trennten.
    Es waren nicht jene eingebildeten Gespenster, die gnadenlos die Pessimisten verhöhnen und mit sadistischer Lust die Ängstlichen quälen, die an Liesels Sicherheit zerrten. Sie hatte sich immer gegen Angst zu wehren gewusst, und nun wehrte sie sich noch entschlossener als sonst gegen Befürchtungen, die allerdings nie konkret genug wurden, um als Furcht entlarvt zu werden. Ihr schien es nur immer öfter so, als würde sich Unheil ankündigen, und dies ausgerechnet in solchen Augenblicken, da sich der Himmel wohlwollend wolkenlos präsentierte. Die empfindsame Spurenleserin war nicht auf der falschen Fährte. Ein Wind, zunächst noch leicht und angenehm, aus einer Frühlingsbrise entstanden, die Liesel nur dann hätte wahrnehmen können, wenn sie eine misstrauische, böswillige und indiskrete Mutter gewesen wäre, war dabei, sich zu einem Wirbelsturm

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