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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Freude, mit der sie dies tat, brachte ihr selbst bei Neidern Wohlwollen und Anerkennung ein. Geistig war sie kein Kind ihrer Zeit. Mochte ihr auch die Sprache der Barrikadenstürmer imponieren, die dem Establishment den Tod geschworen hatten, Rose hatte nicht vor, die Welt zu verändern. Nie scheute sie sich, vor Gleichaltrigen zu zeigen, dass sie ihre Eltern und ihre Großmutter liebte und Samy auf eine Art verehrte, die ihn immer wieder zu Tränen rührte. Bewusst verweigerte sie sich der gängigen Jugendmode, von Vater und Mutter als die »Alten« zu reden und sie mit der arroganten Gleichgültigkeit zu behandeln, die sich ihre Generation so schamlos herausnahm.
    Rose meisterte ihr Leben auf eine Art, die ihrer als Emigrantenkind aufgewachsenen Mutter, die in ihrer gesamten Schulzeit mit Ängsten und Integrationsproblemen belastet war, und ihrem mit zehn Jahren verwaisten Vater fremd war. Gerade deshalb war für Liesel und Emil die
    Tochter mit der leichten Hand und den Augen derer, die nur das Helle sehen und das Schwarze nicht zu deuten wissen, ein täglich wiederkehrendes Wunder, die Bestätigung dafür, dass das Leben es endlich gut mit ihnen meinte. Rose’ Unbekümmertheit, ihre Spontaneität und Furchtlosigkeit wärmte sieben Tage in der Woche das Herz von Menschen, die zu lange das eigene Herz vor Emotionen und Enttäuschungen hatten schützen müssen. War es dann nicht vom Schicksal bestimmt, dass die Mutter, wie Justitia, die Göttin des Rechts, auf einem Auge blind war, wenn die Tochter strauchelte, und dass der Vater, wenn sie nur zu stolpern drohte, seine Arme ausbreitete?
    Diese Tochter der Sonne durfte, weil der Vater es nie hatte tun dürfen, über jeden Graben springen. Sie brauchte sich nie einen Wunsch zu versagen. Von jedem Kuchen durfte sie das größte Stück abschneiden, und niemand bemaß die Portion auf ihrem Teller. Fiel ihr ein Stück Brot aus der Hand, dann landete es mit der Butterseite nach oben. Gab sie ihren Launen nach, so wurde keine Stirn gerunzelt, nicht mit Konsequenzen oder gar Strafe gedroht, noch nicht mal der Zeigefinger erhoben. Immer wieder gelang es Rose’ verständnisvoller Mutter, sich an die Erkenntnis zu halten, dass jede Generation das Recht auf ihre eigenen Erfahrungen und Fehler hat. Nie verargte Liesel ihrer Tochter, dass die gar nicht auf die Idee kam, ihre Schultern mit dem Ballast zu beschweren, der seit der Vertreibung aus dem Paradies als der Ernst des Lebens gilt. Diese Mutter, die herb war und kritisch, stolz auf ihren kühlen Kopf, der ihr in jeder Situation den richtigen Weg wies, bezauberte es, als wäre sie ein Mann und würde nur die äußere Hülle sehen, dass Rose’ Charme jeden bezwang, auf dessen Entwaffnung es die liebenswerte Kriegerin anlegte. Wie vergeblich hatte Liesel in ihrer Jugend den Himmel um Rose’ Talent angefleht, Menschen mit einem einzigen Augenaufschlag zu überzeugen, dass sie genau das wollten, was sie ihnen vorschlug.
    Emil vergötterte seine Wunderblume nicht allein als Vater. Ein Mann war er, wenn er ihr schmales Gesicht mit dem olivfarbenen Teint und den sanften Ausdruck in den großen Augen, ihr welliges dunkles Haar, die langen Beine und ihre schmale Taille bestaunte, als hätte es nie die schöne Helena gegeben, um derentwillen der Trojanische Krieg entbrannt war, oder Cleopatra, die Helden und Herrscher vom Schlachtfeld auf ihre Liegestatt geholt hatte. Der verliebte Vater hatte Rose’ Weiblichkeit schon gewittert, als die kleine Miss noch am Daumen lutschte und ihren Daddy für einen Riesen hielt, der keine andere Aufgabe im Leben hätte, als Wunschbäume zu schütteln und silberne Geigen vom Himmel zu holen. Wie ein Eroberer mit grauen Schläfen und einer jungen Geliebten erglühte dieser Daddy, wenn seine Rose, kaum dass sie einen Raum betreten hatte, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, und wie wohl tat es seinem Vaterstolz, dass niemand dieser Prachttochter je Eitelkeit oder Blasiertheit vorwarf.
    Von Rose’ Zukunft wurde so selten wie möglich gesprochen. Das war ein schweigendes, lange sehr gut funktionierendes Übereinkommen zwischen Eltern und Tochter. Es war trefflich geeignet, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden, und funktionierte optimal als Selbstschutz. Liesel und Emil waren nicht die redegewandten, geistig offenen Protagonisten einer neuen rebellischen Zeit. Sie waren konventionelle, biedere, besorgte jüdische Eltern, die unabhängig von allem, was ihnen die Zeit angetan hatte, sich an

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