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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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häufig. »Je weniger du dich sehen lässt, je schneller wird ihr das Beine machen. Solange du nämlich regelmäßig hier erscheinst, macht sich das kleine Dummerchen noch Hoffnung. Ich war genauso in meiner ersten Schwangerschaft. Dicker Bauch und den Kopf voller Flausen. Und was ist damals daraus geworden? Eine Brustentzündung und eine Tochter, die mit sechzehn Jahren ihr erstes Kind gekriegt hat. «
    »Wahrscheinlich hat unsere englische Mademoiselle Angst, sich zu Hause zu melden.«
    »Das hätte ich an ihrer Stelle auch. Die wenigsten Eltern sind Menschen. Aber bei aller Liebe, Pascal, ihr Kind kriegt sie nicht in meinem Haus. Darauf muss ich bestehen. Ich bin keine Hebamme. Und eine Heilige bin ich erst recht nicht. Selbst wenn alles glatt gehen sollte, gibt es Scherereien ohne Ende, wenn sie hier kalbt. Erst recht bei einer Ausländerin. Stell dir vor, die verblutet uns hier. Es wird dir doch noch etwas einfallen. Du bist doch sonst ein so patenter Kerl und wartest nicht ab, bis das Glück bei dir anklopft.«
    Pascal schüttelte den Kopf. Trotz aller Zuneigung, die Madame Versagne für ihn empfand, war sie eine objektive Beobachterin. Sie fand, er würde bei dem Gespräch, das immerhin für seine Zukunft recht wichtig war, wie ein Schafbock aussehen - und er benahm sich wie ein nasses, verirrtes Lämmchen in den Armen eines besorgten Schäfers. Ein solches Bild hing in der Kirche am Berg. Merkwürdigerweise dachte Madame Versagne, die als süße, kleine Jeanne hatte Nonne werden wollen, meistens an Männer, wenn sie das Bild sah. »Mäh«, neckte sie ihr Lieblingsschaf. »So seid ihr Kerle. Vorher könnt ihr nicht genug von der Sache bekommen, und hinterher schreit ihr nach Mama.«
    Zum Thema Schwangerschaft und Eheunwilligkeit fiel Pascal lediglich ein recht trauriger amerikanischer Film ein, den er im letzten Sommer in Cannes gesehen hatte. Dort gab es ein Kino, das sich auf alte Filme spezialisiert hatte. Pascal und sein Freund, Henri der rote Stier, waren absolut unbeabsichtigt dorthin geraten. Pascal, der ja bis spät in die Nacht Dienst hatte, ging nicht besonders gern ins Kino. Zudem hatte er Vorbehalte gegen alte Filme und erst recht gegen die Frauen, die in ihnen spielten und seiner Meinung nach alle so aussahen, als kämen sie frisch onduliert vom Friseur und würden sich jedem Mann verweigern, der nicht in Seidenpyjamas und mit einem Eheversprechen auf einem goldenen Tablett vor ihrem Himmelbett anrückte. Das sagte er auch und nicht zu leise.
    »In unserem Film aber«, hatte der rote Stier gelockt, der mal während der Urlaubszeit in einer Buchhandlung Laufbursche gewesen war und der sich seitdem als Fachmann für Unterhaltung aufspielte, »macht Elizabeth Taylor mit. Die würde ich heute noch nicht von der Bettkante stoßen. Und du bestimmt auch nicht.«
    Im Nachhinein erschien es Pascal vielleicht nicht ganz ohne Bedeutung, dass er mit Henri ins Kino statt in die neu eröffnete Bar hinter dem Carlton gegangen war, von der es hieß, sie hätte rattenscharfes Bedienungspersonal in rattenscharfen Minis und durchsichtigen Blusen. Leider hatte die Bar samt ihren berühmten kleinen Ratten am gleichen Tag wie Pascal und Henri ihren Ruhetag. So waren also die enttäuschten Jungmänner im Kino mit den alten Filmen gelandet. Gespielt wurde »Ein Platz an der Sonne« nach dem einst weltberühmten Roman von Theodor Dreiser »Eine amerikanische Tragödie«. Der Hauptdarsteller war der Sohn eines armen Straßenpredigers gewesen und hatte sich, was Pascal naturgemäß besonders faszinierte, auch als Hoteljunge durchgeschlagen. Dank eines schwerreichen
    Onkels hatte er sich ganz nach oben gearbeitet, aber sich trotz Verbots aus der Chefetage in eine junge Arbeiterin verliebt. Unglückseligerweise war sie von dem aufstrebenden Jüngling geschwängert worden und hatte, was wiederum für sie ein Unglück werden sollte, mit ihm eine Bootsfahrt unternommen. Der junge Mann hatte erwogen, die unbequem gewordene Geliebte ins Wasser zu stupsen, doch auf einmal war das Boot gekentert und das Mädchen ertrunken. Das Ganze war so plötzlich und unerwartet gekommen, dass Henri und Pascal auf dem ganzen Nachhauseweg diskutiert hatten, ob der künftige Kindesvater, der im Übrigen wegen Mordes auf dem elektrischen Stuhl geendet war, der werdenden Mutter einen kleinen Schubs gegeben hatte oder nicht. Sie hatten sich nicht einigen können.
    In dieser Nacht, eingequetscht in dem asthmatischen Deux Cheveaux von Henri, hatte

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