und das Goldene Dreieck
Pollifax hätte gern noch einmal gefragt, warum sie nicht zum Kloster zurückkehren sollten, aber inzwischen war ihr klar geworden, daß der Acharya sie nicht mehr sehen wollte; oder vielleicht war es eher, daß er nicht von Cyrus gesehen werden wollte, falls sie das Glück hatte, mit ihm zurückzukehren. Von Mama zu meinem Geburtstag... Sie schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf Praserts Worte.
»Ein Fußmarsch von zwei Stunden. Und das Boot wird Sie...«, Prasert gestikulierte eindrucksvoll mit einer Hand und lächelte, »... nach Chiang Rai bringen!« Er drehte sich zu dem gerodeten Streifen um und fügte hinzu: »Sie dürfen nicht weiter als zur letzten Hütte da unten gehen, sonst sind sie nicht mehr in Thailand. Verstehen Sie? Man hat hier was gegen Spione, so wünsche ich Ihnen chokh dee viel Glück.«
Nach diesen etwas beunruhigenden Worten drückte er die Fingerspitzen zusammen, machte ein Wai und ging den Pfad hinunter.
Mrs. Pollifax und Bonchoo schauten ihm nach, bis er verschwunden war, dann blickten sie einander an.
»Nun, Bonchoo«, murmelte Mrs. Pollifax.
»Ja, Koon Emily.« Er seufzte.
Vorsichtig gingen sie zum oberen Rand des Hangs und duckten sich hinter hohes Gras, um unbemerkt hinunterspähen zu können. Das Lager bestand aus fünf Baracken: Einer langen auf der ihnen gegenüberliegenden Lagerseite, offene Schuppen rechts unten, mit einer kleinen Hütte daneben, und zwei Hütten unmittelbar unter ihnen. Das Ganze war hufeisenförmig angelegt, mit dem offenen Teil dem Süden zugewandt, wo eine kreisrunder kahler Flecken auf einen Landeplatz schließen ließ. Mrs. Pollifax deutete. »Für Hubschrauber?« Bonchoo nickte. »Ich glaube schon. Vielleicht für wichtige Leute aus Chiang Mai.«
Sie nickte und setzte ihre Beobachtung fort. Seufzend dachte sie, daß nun die Zeit gekommen war, ihre beachtliche Dankesschuld gegenüber Bonchoo abzutragen. Wäre sie allein, würde sie erst einmal kundschaften und sich dann ins Lager schleichen, von der anderen Seite aus vielleicht, wo sie sich hinter der längsten Baracke verstecken könnte, um zu lauschen und nach Spuren Ausschau zu halten, die auf einen Gefangenen hinweisen mochten. Wenn Cyrus im Lager war, würde sie eine Möglichkeit finden, ihn zu befreien und mit ihm in den Wald zu fliehen, ehe er vermißt und sie gesehen wurde. So jedenfalls überlegte sie. Sie kannte die Gefahren, wußte jedoch auch, wie oft sie die besten Einfälle hatte, wenn sie unter Druck war. Leider kam ein solches Vorgehen hier wegen Bonchoo nicht in Frage, denn er wollte sich vor den Schan rechtfertigen, damit er wieder eine Zukunft hatte. Er mußte ihnen erklären, daß alles, was Jacoby über ihn behauptet hatte, gelogen war. Und weil sie Bonchoo das schuldig war, konzentrierte sie sich nun darauf, was sie statt dessen tun mußten: Offen den Hang hinuntersteigen und hoffen, daß sie nicht von einer Wache erschossen wurden, ehe sie das Lager erreichten.
»Ich habe bisher sechs Mann gezählt«, sagte sie zu Bonchoo.
»Aber keinen mit rotem Hemd?« erkundigte er sich besorgt.
»Nein, auch keinen mit gelbem Hemd, glücklicherweise«, antwortete sie. Doch leider hatte sie auch keinen Hinweis auf Cyrus entdeckt.
Fünf der Männer überquerten den Platz und betraten die kleine Hütte rechts von ihnen; ein Posten hielt vor der Tür Wache. Ohne große Begeisterung sagte sie: »Ich glaube, wir sollten jetzt gehen, meinen Sie nicht? Ehe die andern wieder herauskommen?«
Bonchoo antwortete düster: »Sie werden auf jeden Fall herauskommen.«
»Stimmt... Streicht Ihnen eine kalte Hand über den Rücken, Bonchoo?«
»Eine eisige. Ich habe große Angst - und Sie?«
»Entsetzliche«, gestand sie und dachte, daß sie noch nie das Gefühl gehabt hatte, so weit von zu Hause entfernt zu sein, überhaupt so weit von allem fern zu sein, was ihr vertraut war.
Bonchoo sagte: »Wir haben ein Sprichwort: ›An der Mähne erkennt man den Löwen.‹ Wir müssen jetzt sehr dtoh sehr groß sein.« Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. »Kommen Sie. Wir müssen richtige Löwen sein.«
15
In Langley in Virginia hatte Bishop endlich das Gefühl, daß Fortschritte gemacht wurden: Eine Frau, die der Beschreibung nach Mrs. Pollifax gewesen sein konnte, war am Donnerstagvormittag in der Raststätte Hot Springs gesehen worden, mit dem Auto etwa eine Stunde nördlich von Chiang Mai. Sie hatte sich in Begleitung eines Mannes befunden, der Thai oder Chinese war und einen recht
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