und das Goldene Dreieck
nach Birma verschleppt - und sie würden zu spät kommen. Noch nie hatte sie die Worte zu spät gemocht, und heute empfand sie sie als besonders erschreckend. Ihre Stimmung wurde auch nicht besser, als Bonchoo Prasert fragte, wie weit es bis zu dem Lager war, und Prasert antwortete: »Nur vierzig Minuten von hier.« So nahe waren sie die ganze Zeit schon gewesen! Offenbar war es jedoch nicht leicht, an das Lager heranzukommen beziehungsweise es zu finden. Prasert schob da einen Zweig oder einen Busch zur Seite, um zu einem kaum erkennbaren Pfad zu gelangen, bog dort abrupt ab und führte sie einen anderen Pfad hoch und wieder einen anderen hinunter. Ein einziges Mal kamen sie zu einem richtigen Pfad, wie der, den sie zum und vom Akhadorf gefolgt waren: Ein Pfad, der breit genug für Maultiere oder Esel war. Als sie ihn überquerten, murmelte Bonchoo hinter ihr etwas. Sie drehte sich um. »Ja?«
Er lächelte etwas schief. »Ich glaube, Prasert hat die Anweisung, uns im Kreis herumzuführen.«
»Das denke ich auch!«
»Es wird schwierig sein, den Rückweg zu finden, Koon Emily.«
»Sehr.« Ein gewisser Verdacht verstärkte sich. Sie überlegte, ob es nicht eine Möglichkeit gab, den Weg zu markieren, wie Hansel und Gretel es getan hatten, doch sie gab den Gedanken auf, denn im Gegensatz zu Cyrus hatte sie nicht den kleinsten Papierfetzen, nicht einmal einen mit einem Sardinenauge. Ihren Lippenstift hatte sie Akha geschenkt, ihr Tuch aus Thaiseide war um ihren heilenden Fuß gewickelt, blieben also nur die Münzen in ihrer Tasche und der kaschierte Goldbarren. Steine gab es keine am Weg, die Pfade waren mit verrottendem Holz bedeckt und fast elastisch unter den Füßen. Sie stapften nun auch noch hangauf, und sie konnte nur hoffen, daß sie nicht einen steilen Berg hoch mußten, denn der Reis, der inzwischen den Hauptteil ihrer Verpflegung ausmachte, war nicht gerade kräftigend. Fast sehnsüchtig dachte sie an Kartoffeln, in Alufolie gebacken, mit heißer Butter und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Dazu stellte sie sich Scheiben dampfenden Rostbratens im eigenen Saft vor, frischen Spargel und dazu eine Nachspeise Erdbeerkuchen vielleicht. Abrupt dämpfte sie ihre Phantasie und tadelte sich, daß sie eine verwöhnte Amerikanerin sei. Sie bewunderte Prasert beispielsweise, dessen Figur kein Gramm überflüssigen Fettes aufwies und in dem bestimmt beachtliche Energie steckte. Auch Bonchoo bewunderte sie, der stämmig und muskulös war. Widerstrebend sagte sie sich, daß die Kraft der beiden eben von dem Reis herrührte, den sie unbefriedigend fand, und deshalb...
Prasert war so abrupt stehengeblieben, daß sie gegen ihn prallte. Sie hörte auf zu träumen und sich auszuscheren, und sah, daß sie auf einer Bergkuppe standen. Ihr Blick folgte Praserts deutendem Arm. Unter ihnen lag ein langer Streifen gerodeten Landes im Sonnenschein, mit staubigen Hütten und Schuppen aus Palmen und Bambus.
»SchanLager«, erklärte Prasert.
»Ja.« Sie blinzelte.
In diesem Moment trat ein Mann in Khakiuniform aus einer Hütte und überquerte den freien Platz in der Mitte des Lagers. Angst durchzuckte sie, sie hatte vergessen, daß es sich um ein Militärlager handelte. Sie beobachtete, wie der Uniformierte in einer Hütte auf der rechten Seite verschwand, und bemerkte nun auch, daß ein Mann mit Gewehr auf einer Bank im Schatten saß, und ein weiterer Soldat neben der Tür des hintersten Schuppens
- im Schatten des überhängenden Daches kaum zu sehen. Mrs. Pollifax drehte sich zu Prasert um. »Wie kommen wir zum Kloster zurück?«
»Sie werden nicht zurückkommen«, entgegnete er fest.
Gereizt echote sie: »Nicht zurück? Wohin sollen wir dann von hier aus? Und warum nicht zurück ins Kloster?« Er führte sie ein paar Schritte zurück und deutete auf einen Baum, der von Wind und Wetter so gebleicht und geglättet war, daß er weiß schimmerte, und dessen abgestorbene Zweige wie beschwörend erhoben waren - ein toter Baum, der schon längst hätte fallen müssen, den jedoch das dichte Unterholz ringsum aufrecht hielt. »Sehen Sie dort den Pfad? Er führt südwärts zum Fluß und dort finden Sie ein Boot«
»Fluß?« echote sie.
Überrascht fragte Bonchoo: »Sie meinen den Mae Kok? So nah sind wir bei Tha Ton?« Zu Mrs. Pollifax sagte er: »Ich war schon mal dort.«
»Was ist Tha Ton?«
»Ein kleinerer Ort am Mae Kok, an der thaibirmanischen Grenze. Und es stimmt, dort kann man Boote mieten. Wie weit ist es?« fragte er Prasert.
Mrs.
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