und das Goldene Dreieck
für seine Freunde. »Ich komme aus einem sehr kleinen, sehr armen Dorf in den Bergen - ein Fußmarsch von zwei Stunden von hier. Ich möchte gern englischsprechender Fremdenführer werden, das ist ein sehr wichtiger, schöner Job. Der Abt unseres Dorfes hat mich hierher geschickt, weil der Acharya mich gutes Englisch lehren kann und die Fünf Gebote ebenfalls.« Mrs. Pollifax nahm sich ihre zweite und letzte Garnele aus der Schüssel und rollte sich eine Reiskugel. »Aber wie hat Ihr Abt den Acharya entdeckt?«
»Ah!« Prasert strahlte sie an. »Er hat einmal drei Tage hier zugebracht, um von ihm zu lernen und mit ihm zu sprechen.«
»Wie lange ist das her?« erkundigte sie sich rasch. Prasert zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht. Vielleicht weiß niemand, wann der Acharya hierherkam. Er ist - wie sagt man? sehr geheimnisvoll.«
Bonchoo sagte trocken: »Und um ihn zu finden, muß man sich wohl erst im Wald verirren.«
»Ja, ja.« Prasert nickte lachend. »Genauso hat mein Abt ihn gefunden, diesen Heiligen, der nicht mehr an das Rad gebunden ist.«
Mrs. Pollifax nickte. »Frei«, murmelte sie. Sie setzte ihre Reisschale ab und schob sie von sich. »Aber ich hänge noch sehr am Leben und will meinen Mann wiederfinden. Ich möchte jetzt aufbrechen«, sagte sie zu Bonc hoo. »Essen Sie ruhig zu Ende, ich verabschiede mich inzwischen von Mornajay.«
Mornajay lag nicht mehr auf seiner Matte, sondern versuchte ein paar vorsichtige Schritte. Er blickte auf, als sie eintrat. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und er lächelte ihr schwach zu. Sie konnte sich vorstellen, welche Anstrengung es ihn kostete.
»Ich muß wieder zu Kräften kommen«, erklärte er. Er ließ sich auf die Matte fallen und fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. Er war jetzt nicht mehr wie aus dem Ei gepellt, seine Kleidung war nun nicht weniger staubig und zerknittert als ihre und Bonchoos.
»Ich hoffe, Sie bedenken, daß Sie sehr krank waren«, mahnte sie. »Wir glaubten schon nicht mehr, daß Sie es schaffen würden. Sie müssen sich noch ausruhen!«
Er nickte und schaute zur Tür. Plötzlich wirkte er unsagbar traurig, so daß sie sich fragte, was er sah. Doch was immer es war, es mußte sich vor seinem inneren Auge befinden, denn der Korridor war leer. Als er sich ihrer offenbar wieder bewußt wurde, sagte er brüsk: »Ich habe keine Zeit zum Ausruhen!«
»Ich wollte mich bloß verabschieden, wir brechen jetzt auf.«
»Sie suchen weiter nach Ihrem Mann, nehme ich an.« Es interessierte ihn sichtlich nicht weiter, doch er fügte höflich hinzu: »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.«
»Nichts zu danken«, antwortete sie ebenso höflich und ging. Bonchoo und Prasert warteten am Fuß der Treppe zum Garten auf sie. Sie unterhielten sich angeregt auf Thai. Unwillkürlich mußte sie bei ihrem Anblick lächeln: Prasert in seinem orangegelben Gewand und mit geschorenem Kopf, und Bonchoo mit seinem lächerlichen Hut, der in diesem abgeschiedenen Dschungelkloster noch anachronistischer wirkte.
Prasert blickte ihr mit blitzendem Lächeln entgegen. »Gehen wir?«
»Ja.« Sie drehte sich um und schaute zu der Stelle auf dem Außengang hoch, wo sie den Acharya zum erstenmal gesehen hatte. »Möchte der heilige Mann nicht, daß wir ihm danken?«
»Er meditiert, bitte.« Prasert führte sie durch den Garten. Plötzlich blieb er stehen und breitete die Arme weit aus. »Aber er geht mit uns, verstehen Sie? Ich glaube, sein Geist zieht überall hin, wie ein Nokh!« Mit herzhaftem Lachen drehte er sich um und ging ihnen voraus, um den Brunnen und einen Vorratsspeicher herum, zum Wald.
»Wie ein Vogel«, übersetzte Bonchoo für Mrs. Pollifax. Sie spürte die Gegenwart des Acharyas nicht, weder als heiliger Mann, noch als Vogel, und irgendwie ärgerte sie sich über Praserts Überzeugung. Immer noch hatte sie die Eintragung im Buch im Hinterkopf, doch seit der Acharya erklärt hatte, daß er ihnen doch den Weg zum SchanLager zeigen lassen würde, erfüllte sie freudige Erwartung und schlimmste Besorgnis zugleich. Dieses gemischte Gefühl war stärker als alles andere und es war so unangenehm wie ein kratziges Wollhemd. Offenbar litt sie gerade unter einem Anfall von Pessimismus. Wie war sie je darauf gekommen, daß man Cyrus zu gerade diesem SchanLager bringen würde? Sie erinnerte sich nun. Es lag wohl daran, daß Nouvak im Akhadorf von diesem SchanLager wußte. Aber genausogut konnte es andere Lager anderswo geben. Oder man hatte Cyrus über die Berge
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