und das Pergament des Todes
hinter dieser Tür?«
»D ort bewahren wir die Habseligkeiten derer auf, die in Kuratoren verwandelt wurden«, erklärte das Wesen mit rauer Stimme. Und tatsächlich– ich bemerkte einige Kuratoren, die gerade die Überreste von Kilimans Transformation beseitigten, also die Metallteile und die Kleidungsstücke, die er getragen hatte.
Ich ließ die Fährtenspürlinse sinken. »K ommt schon«, sagte ich zu den anderen. »W ir haben ja fast den Grund vergessen, warum wir überhaupt hergekommen sind.«
»U nd was war gleich noch mal dieser Grund?«, fragte Kaz.
Ich zeigte auf die Tür. »H erauszufinden, was hinter dieser Tür ist.«
Kapitel Zwanzig
Erwartungen. Sie gehören mit zu den wichtigsten Dingen, die in unserer Welt existieren. (Was sehr komisch ist, denn da es sich bei ihnen um abstrakte Konzepte handelt, könnte man ja auch sagen, dass sie überhaupt nicht wirklich »e xistieren«.)
Alles, was wir tun, alles, was wir erleben, und alles, was wir sagen, wird durch unsere Erwartungen beeinflusst. Wir gehen morgens zur Schule oder in die Arbeit, weil wir erwarten, dass es sich für uns lohnt. (Oder zumindest erwarten wir, dass wir, wenn wir es nicht tun, Ärger bekommen.)
Wir gehen Freundschaften ein, die auf Erwartungen beruhen. Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie sich auf eine bestimmte Art verhalten, und dann verhalten wir uns so, wie sie es von uns erwarten. Eigentlich zeigt schon die Tatsache, dass wir morgens aufstehen, unsere Erwartung, dass die Sonne aufgehen, die Welt sich weiter drehen wird und unsere Schuhe passen werden, genau wie am Tag zuvor.
Die Leute reagieren verstört, wenn man ihre Erwartungen durcheinanderbringt. Zum Beispiel habt ihr wahrscheinlich nicht erwartet, dass ich dieses Kapitel mit einem koreanischen Satz beginnen würde. Obwohl man sich nach der Geschichte mit dem Häschen und der Bazooka schon fragt, wie ihr überhaupt noch irgendwelche Erwartungen an dieses Buch stellen könnt.
Und genau das, meine Lieben, ist der springende Punkt.
Die Hälfte von euch Lesern lebt in den Ländern des Schweigens. Ich war selbst einmal ein Mundtoter, und ich bin nicht so naiv zu glauben, dass ihr alle meine Geschichten für wahr haltet. Wahrscheinlich habt ihr mein erstes Buch gelesen und euch gedacht, es sei ein Riesenspaß. Jetzt lest ihr diesen Band, aber nicht weil ihr glaubt, was hier steht, sondern weil ihr erwartet habt, dass es wieder eine lustige Geschichte werden würde.
Erwartungen. Wir verlassen uns auf sie. Deswegen fällt es vielen Mundtoten auch so schwer, an die Freien Königreiche und die Verschwörung der Bibliothekare zu glauben. Man erwartet einfach nicht, eines Tages aufzuwachen und zu entdecken, dass alles, was man über Geschichte, Geografie und Politik weiß, falsch ist.
Vielleicht wird euch jetzt so langsam klar, warum ich einige dieser Dinge habe einfließen lassen. Häschen mit Bazookas, Schiffe, die repariert werden (dazu später mehr), Gesichter, die aus Ziffern bestehen, Aussagen von kleinen Menschen darüber, wie sie die Welt sehen, und eine Lektion über Schuhe und Fische. All diese Beispiele sollen euch zeigen, wie wichtig es ist, unvoreingenommen an die Dinge heranzugehen. Denn nicht alles, was ihr glaubt, ist wahr, und nicht alles, was ihr erwartet, wird auch so geschehen.
Vielleicht bedeutet euch dieses Buch nichts. Vielleicht wird meine Geschichte von dämonischen Kuratoren und magischen Linsen einfach an euch vorüberziehen, und ihr werdet sie als reinen Unfug abtun, den man liest und dann sofort wieder vergisst. Vielleicht werdet ihr, weil diese Geschichte von Leuten handelt, die so weit weg und möglicherweise noch nicht einmal real sind, davon ausgehen, dass sie nichts mit euch zu tun hat.
Aber ich hoffe nicht. Denn ihr müsst wissen, ich habe auch Erwartungen, und die flüstern mir zu, dass ihr es noch verstehen werdet.
Auf der anderen Seite der Tür traten wir in einen langen Gang. Am Ende dieses Ganges befand sich eine weitere Tür, und auf der anderen Seite dieser Tür war eine kleine Kammer.
Darin saß jemand. Er hockte auf einer staubigen Kiste und starrte vor sich auf den Boden. Er war nicht eingeschlossen. Er schien einfach nur dort zu sitzen, und das schon eine ganze Weile, und nachzudenken.
Und er weinte.
»G randpa Smedry?«, fragte ich überrascht.
Leavenworth Smedry, Okulator Dramatus, Freund der Könige und Potentaten, sah auf. Ich hatte ihn erst wenige Tage zuvor gesehen, aber mir kam es wesentlich länger vor. Er
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