Und dennoch ist es Liebe
die Prescotts ihm unmissverständlich erklärt hatten, was sie von seiner Wahl von Paige als Ehefrau gehalten hatten. Damals war Nicholas so verbittert gewesen, dass er anderthalb Jahre lang jeglichen Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hatte. Aber dann war eine Weihnachtskarte von Astrid gekommen. Paige hatte sie zu den Rechnungen gelegt. Er hatte sie in seinen Händen gedreht und sie betrachtet wie ein Relikt aus der Antike. Er hatte mit den Fingern über die elegante Handschrift seiner Mutter gestrichen. Als er schließlich den Kopf gehoben hatte, sah er Paige auf der anderen Seite des Raumes. Sie hatte sich bemüht, so zu tun, als mache ihr das nichts aus. Dann hatte Nicholas die Karte um Paiges willen weggeworfen, doch am nächsten Tag hatte er seine Mutter aus dem Krankenhaus angerufen.
Nicholas redete sich ein, das tue er nicht, weil er seinen Eltern vergeben hatte oder weil er glaubte, sie hätten recht gehabt, was Paige betraf. Sie sprachen nie über Paige, wenn sie zweimal im Jahr miteinander telefonierten, zu Weihnachten und an Astrids Geburtstag. Und sie erwähnten auch Robert Prescott nicht, denn Nicholas hatte sich geschworen, niemals zu vergessen, wie sein Vater sich vor acht Jahren wie ein Geier auf Paige gestürzt hatte. Zu seiner Mutter zog es ihn aber allein schon aus Neugier hin.
Nicholas erzählte Paige nichts von diesen Telefonaten. Da seine Mutter Paige acht Jahre lang mit keinem Wort erwähnt hatte, ging er davon aus, dass seine Eltern ihre ursprüngliche Meinung über sie nicht geändert hatten. Die Prescotts schienen darauf zu warten, dass Nicholas’ und Paiges Ehe auseinanderbrach, damit sie den Finger heben und sagen konnten: »Wir haben es dir ja gleich gesagt.« Seltsamerweise nahm Nicholas das nicht persönlich. Er sprach mit seiner Mutter nur, weil er die Verbindung nicht ganz abreißen lassen wollte, aber er unterteilte sein Leben in die Zeit vor und nach Paige. Die Gespräche der beiden konzentrierten sich zumeist auf Nicholas’ Leben bis zu jenem verheerenden Streit, als wären seitdem nur Tage und keine Jahre vergangen. Sie sprachen über das Wetter, über Astrids Expeditionen, seine Entwicklung als Herzchirurg, den Kauf des Hauses, aber nie über Paiges Schwangerschaft. Nicholas gab seiner Mutter keinerlei Information, die den Graben zwischen ihnen noch hätte vergrößern können.
Es war nicht leicht für Nicholas, vor dem Heim seiner Kindheit zu sitzen und das Gefühl zu haben, dass seine Eltern vor all diesen Jahren vielleicht doch nicht ganz falsch gelegen hatten. Nicholas kam es vor, als würde er Paige schon ewig verteidigen, nur hatte er inzwischen vergessen, warum. Er drohte zu verhungern, weil Paige ihm nichts mehr zu essen machte. Oft war sie schon um halb fünf Uhr morgens wach, doch für gewöhnlich klebte dann Max an ihr. Manchmal – nicht oft – gab Nicholas dem Baby die Schuld an allem. Max war einfach das leichteste Ziel. Dieses alles verschlingende, kleine Ding hatte Nicholas die Frau genommen und aus ihr das mürrische, launische Weib gemacht, mit dem er nun sein Heim teilte. Es war schwer, Paige selbst die Schuld zu geben. Dann und wann schaute Nicholas ihr streitlustig in die Augen, doch alles, was er sah, war ein leerer Blick, und dann schluckte er seine Wut wieder herunter und empfand nur noch Mitleid.
Er verstand Paiges Problem nicht. Schließlich war er derjenige, der den ganzen Tag auf den Beinen war. Er war derjenige, dessen Ruf auf dem Spiel stand, und er war derjenige, dessen Fehler Menschen das Leben kosten konnten. Wenn irgendjemand das Recht hatte, erschöpft und reizbar zu sein, dann Nicholas. Paige saß doch nur mit dem Baby im Haus.
Und in der Zeit, die Nicholas mit seinem Sohn verbrachte, schien das gar nicht so schwer zu sein. Nicholas saß dann auf dem Boden, zog Max an den Zehen und lachte, wann immer sein Sohn die Augen aufriss und sich umschaute, um zu sehen, wer da an ihm herumzupfte. Vor gut einem Monat hatte Nicholas Max über dem Kopf herumgewirbelt und ihn dann an den Füßen gepackt und kopfüber hängen lassen. Max liebte das. Paige hatte ihnen von einer Ecke aus zugeschaut und eine Schnute gezogen. »Er wird dich vollkotzen«, sagte sie. »Er hat gerade getrunken.« Doch Max hatte die Augen weit geöffnet und betrachtet, wie die Welt sich drehte. Als Nicholas das Baby wieder aufrichtete und in den Arm nahm, schaute Max seinen Vater direkt an. Dann erschien ein Lächeln auf dem winzigen Gesicht, und Max’ Wangen wurden vor
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