Und dennoch ist es Liebe
ist er.« Dann legte ich den Kopf in die Hände und brach in Tränen aus.
Ich schluchzte, bis ich keine Luft mehr bekam, und ich war fest davon überzeugt, Max so zu wecken, doch als ich wieder zu ihm schaute, schlief er immer noch friedlich. »Sie müssen glauben, ich sei verrückt«, flüsterte ich.
Dr. Thayer legte mir die Hand auf den Arm. »Ich glaube, Sie sind wie jede andere frischgebackene Mutter. Was Sie empfinden, ist vollkommen normal. Ihr Körper hat gerade eine äußerst traumatische Erfahrung hinter sich, und jetzt braucht er Zeit zu heilen, und Sie müssen sich erst einmal mit der Tatsache abfinden, dass Ihr Leben sich nun verändern wird.«
Ich griff nach einem Papiertuch. »Ich bin furchtbar zu ihm. Ich weiß nicht, was es bedeutet, Mutter zu sein.«
Dr. Thayer schaute das Baby an. »Also für mich sieht es so aus, als würden Sie Ihren Job ganz gut machen«, sagte sie, »auch wenn das Sweatshirt und die Jacke vielleicht ein wenig übertrieben sind.«
Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ich hatte schon wieder etwas falsch gemacht, und ich hasste mich dafür. »Wie lange dauert es denn?«, fragte ich und meinte tausend Dinge damit: Wie lange dauert es, bis ich weiß, was ich tue? Wie lange, bis ich wieder ich selbst bin? Wie lange, bis ich mein Kind mit Liebe und nicht mit Angst betrachten kann?
Dr. Thayer half mir zum Untersuchungsstuhl. »Es wird den Rest Ihres Lebens andauern«, antwortete sie.
Ich hatte noch immer Tränen auf den Wangen, als Dr. Thayer ging, Tränen der Erinnerungen, die ich nicht einfach wegwischen konnte. Ich hatte mich vor meiner alten Chefin zur Närrin gemacht. Ich verließ die Praxis, ohne mich von jemandem zu verabschieden – noch nicht einmal von Mary, die mir hinterherrief, als ich die Tür hinter mir schloss. Ich schleppte Max auf den Parkplatz, und der Tragesitz, in dem er lag, wurde mit jedem Schritt schwerer. Der Riemen der Wickeltasche schnitt mir in die Schulter, und ich hatte Rückenschmerzen von dem einseitigen Gewicht. Max schlief noch immer – ein Wunder! –, und ich betete zur Gottesmutter. Sie musste mich doch besser verstehen als jede andere Heilige. Nur noch eine halbe Stunde, betete ich, dann werde ich wieder zu Hause sein und ihn füttern … wie immer.
Der Parkplatzwächter war ein Teenager mit einer Haut so schwarz wie Pech und Zähnen, die in der Sonne funkelten. Er trug einen Ghettoblaster auf der Schulter. Ich gab ihm mein Ticket, und er gab mir meine Schlüssel. Vorsichtig öffnete ich die Beifahrertür und machte Max’ Sitz mit dem Sicherheitsgurt fest. Dann schloss ich die Tür leiser, als ich mir bis dahin hätte vorstellen können, und schließlich ging ich um den Wagen herum auf meine Seite.
In dem Moment, als ich die Fahrertür öffnete, schaltete der Parkplatzwächter seinen Ghettoblaster an. Donnernde Rap-Musik zerriss die Luft wie ein Sommergewitter und ließ den Wagen, den Asphalt und die Wolken beben. Der Junge nickte im Rhythmus und vollführte einen Hiphop-Tanz entlang der Begrenzungsstreifen. Max öffnete die Augen und kreischte lauter, als ich ihn je gehört hatte.
»Schschsch«, sagte ich und tätschelte ihm den Kopf, der rot und verschwitzt von der Kapuze war. »Du warst bis jetzt doch so brav.«
Ich legte den Gang ein und fuhr los, doch das ließ Max nur umso lauter schreien. Er hatte so lange geschlafen, dass er einfach Hunger haben musste , aber ich wollte ihn hier nicht füttern. Wenn ich ihn einfach nur nach Hause bringen konnte, würde schon alles wieder gut werden. Ich fuhr um die parkenden Fahrzeuge herum und kam zur Ausfahrt. Max war knallrot vor Anstrengung und drohte bereits, an seinem eigenen Schluchzen zu ersticken.
»Himmel!«, rief ich, zog die Handbremse an und löste den Gurt um Max’ Trage. Dann zog ich das Hemd aus und fummelte meine Brust aus dem BH. Max versteifte sich, als ich ihn hochhob und seinen heißen kleinen Leib an meinen drückte. Die raue Wolle der Jacke scheuerte auf meiner Haut, und Max’ Finger krallten sich in meine Rippen. Jetzt begann auch ich zu weinen, und Tränen tropften auf das Gesicht meines Sohnes. Fluchend stapfte der junge Parkplatzwächter auf mich zu. Rasch zog ich mein Hemd über Max’ Kopf in der Hoffnung, ihn so zum Schweigen zu bringen. Ich ließ das Fenster nicht runter. »Sie versperren die Einfahrt«, sagte der Junge und funkelte mich wütend an.
Die Rap-Musik dröhnte in meinem Kopf. Ich wandte mich von dem Jungen ab und drückte Max enger an mich.
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