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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Freude rot. »Schau mal, Paige!«, rief Nicholas. »Ist das sein erstes, echtes Lächeln?« Und Paige nickte und schaute Nicholas ehrfürchtig an. Dann war sie hinausgegangen, um das Ereignis in Max’ Babybuch zu vermerken.
    Nicholas klopfte auf seine Brusttasche. Sie waren noch immer da: die Bilder von Max, die er gerade hatte entwickeln lassen. Wenn ihm danach zumute war, würde er seiner Mutter eines davon dalassen, wenn er ging. Eigentlich hatte er gar nicht kommen wollen. Es war Paige gewesen, die ihm vorgeschlagen hatte, seine Eltern anzurufen und sie wissen zu lassen, dass sie einen Enkel hatten. »Mit Sicherheit nicht«, hatte Nicholas erwidert. Natürlich glaubte Paige immer noch, dass er seit acht Jahren kein Wort mehr mit seinen Eltern gewechselt hatte, und vielleicht stimmte das in einem gewissen Sinne ja auch. In jedem Fall war Nicholas sich noch nicht im Klaren darüber, ob er bereit war, als Erster nachzugeben.
    »Nun ja«, hatte Paige gesagt, »vielleicht ist es langsam mal an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen.« Nicholas hatte das als heuchlerisch empfunden, doch dann hatte Paige gelächelt und ihm die Haare zerzaust. »Und außerdem«, hatte sie gesagt, »mit deiner Mutter könnten wir ein Vermögen an Babyfotos sparen.«
    Nicholas lehnte sich zurück. Über ihm zogen die Wolken träge über den heißen Frühlingshimmel. Einmal, als ihr Leben noch unbelastet gewesen war, hatten Paige und Nicholas am Ufer des Charles gelegen, nach oben geschaut und versucht, Bilder in den vorbeiziehenden Wolken zu finden. Nicholas hatte nur geometrische Gebilde gesehen: Dreiecke, schmale Bögen und Polygone. Paige hatte seine Hand nehmen und mit dem Finger den Umriss einer weißen Form nachziehen müssen. Da , hatte sie gesagt. Das da ist ein Indianerhäuptling. Und ganz links, da ist ein Fahrrad. Und da eine Reißzwecke und ein Känguru. Nicholas hatte gelacht und sich wegen ihrer überschäumenden Fantasie erneut in sie verliebt. Doch nach und nach hatte auch er gesehen, wovon sie redete. Ja, das war keine Gewitterwolke, sondern der ausladende Kopfschmuck eines Siouxhäuptlings. Und da in der Ecke hüpfte tatsächlich ein Känguru. Wenn Nicholas durch Paiges Augen in den Himmel blickte, sah er plötzlich so viel mehr.
*
    »Was ist los mit ihm?«
    »Ich weiß es nicht. Der Arzt sagt, es sei vermutlich eine Kolik.«
    »Eine Kolik? Aber er ist fast schon drei Monate alt. Koliken sollen mit drei Monaten doch eigentlich aufhören.«
    »Ja, ich weiß. Eigentlich. Der Arzt hat mir auch gesagt, dass Babys, die zu Koliken neigen, häufig intelligenter sind als andere.«
    »Soll uns das etwa dabei helfen, sein Geschrei zu ertragen?«
    »Lass deine Wut nicht an mir aus, Nicholas. Ich habe nur deine Frage beantwortet.«
    »Willst du ihn nicht holen?«
    »Ja, nun …«
    »Himmel, Paige! Wenn das so ein Problem ist, dann hole ich ihn eben.«
    »Nein. Du bleibst. Ich bin diejenige, die ihn füttern muss. Es ist sinnlos, dass du aufstehst.«
    »Na schön.«
    »Ja, wie schön.«
*
    Nicholas zählte die Schritte, die er brauchte, um die Straße zu überqueren und den Weg zum Haus seiner Eltern zu erreichen. Tulpen säumten die Schieferplatten, mit denen der Weg gepflastert war: rot, gelb, weiß, rot, gelb, weiß, alles ganz ordentlich. Nicholas’ Herz schlug im Takt seiner Schritte. Sein Mund war unnatürlich trocken. Acht Jahre waren eine sehr, sehr lange Zeit.
    Nicholas dachte darüber nach zu klingeln, aber er wollte nicht plötzlich einem der Diener gegenüberstehen. Er holte seinen Schlüsselbund aus der Tasche und suchte zwischen seinen Krankenhausschlüsseln nach dem alten, matten, den er seit seiner Schulzeit an einem Messingring trug. Er hatte ihn nie weggeworfen, wusste aber nicht, warum, und seine Eltern hatten ihn nie zurückgefordert, was Nicholas auch nicht erwartet hatte. Es mochte ja viel zwischen Nicholas Prescott und seinen Eltern vorgefallen sein, doch in seiner Familie galten selbst für einen erbitterten Streit feste, zivilisierte Regeln.
    Nicholas war auf die Hitzewelle nicht vorbereitet, die ihm in dem Augenblick den Rücken hinauflief, als der Schlüssel in das Schloss seiner Eltern glitt. Plötzlich erinnerte er sich wieder an den Tag, als er aus dem Baumhaus gefallen war und sich das Bein gebrochen hatte, sodass der Knochen durch die Haut gedrungen war. Und er erinnerte sich an das eine Mal, als er betrunken nach Hause gekommen und versehentlich im Zimmer der Haushälterin gelandet war. Und an

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