Und dennoch ist es Liebe
gegangen, waren durch die Boston Commons spaziert und auf einem Schwanenboot gefahren – was Nicholas noch nie gemacht hatte, obwohl er schon seit achtundzwanzig Jahren in Boston lebte, doch das verschwieg er Paige. Er beobachtete, wie das Sonnenlicht ihr rotes Haar erglühen ließ, sah, wie ihre Wangen sich rosa färbten, und er hörte sie lachen, als sie einen Hot Dog ohne Brot aß, und er versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass er nicht gerade dabei war, sich zu verlieben.
Es überraschte Nicholas nicht, dass Paige Zeit mit ihm verbringen wollte. Auch wenn das arrogant klingen mag, Nicholas war es einfach gewohnt, schließlich wirkten alle Ärzte auf alleinstehende Frauen wie ein Magnet. Die eigentliche Überraschung war, dass er es war, der Zeit mit ihr verbringen wollte. Es war schon fast so etwas wie eine Besessenheit für Nicholas geworden. Er liebte es, Paige bei Sonnenaufgang barfuß durch die Straßen von Cambridge gehen zu sehen, wenn der Asphalt sich wieder abkühlte. Er liebte es, dass sie Eiswagen um den ganzen Block hinterherjagte und dabei die Werbemelodie mitsang. Er liebte es, dass sie sich wie ein Kind benahm – vielleicht, weil er vergessen hatte, wie das ging.
Zufälligerweise fiel sein freier Tag auf den 4. Juli, und Nicholas plante alles ganz genau: Dinner in einem berühmten Steakhaus nördlich von Boston, gefolgt vom Anschauen des Feuerwerks an den Ufern des Charles.
Sie verließen das Restaurant um sieben Uhr, sodass sie noch jede Menge Zeit hatten. Nicholas sagte, er wolle zur Esplanade, doch ein brennendes Auto auf dem Highway sorgte für einen einstündigen Stau. Nicholas hasste es, wenn irgendetwas nicht nach Plan verlief, besonders wenn die Gründe dafür sich seiner Kontrolle entzogen. Nicholas lehnte sich zurück und seufzte. Er schaltete das Radio an und dann wieder aus. Er hupte, auch wenn sich nichts bewegte. »Ich glaube das einfach nicht«, sagte Nicholas. »Wir werden nie rechtzeitig dort ankommen.«
Paige saß mit verschränkten Beinen auf dem Beifahrersitz. »Das ist doch egal«, sagte sie. »Feuerwerk ist Feuerwerk.«
»Dieses nicht«, widersprach Nicholas. »So etwas hast du noch nie gesehen.« Er erzählte ihr von den Barken auf dem Charles und wie das Feuerwerk mit der Ouvertüre 1812 synchronisiert werden würde.
»Die Ouvertüre 1812?«, fragte Paige. »Was ist das?« Und Nicholas hatte sie angeschaut und den reglosen Wagen vor sich angehupt.
Nachdem sie sechs Partien Schiffe Versenken und drei Partien Tic-Tac-Toe gespielt hatten, setzte der Verkehr sich wieder in Bewegung. Nicholas raste wie ein Irrer nach Boston, doch er kam nicht näher an die Esplanade heran als bis zu Buckingham, Browne and Nichols, einer Privatschule, die meilenweit von seinem Ziel entfernt lag. Er stellte den Wagen auf dem Schulparkplatz ab und sagte Paige, es sei den Fußmarsch wert.
Als sie die Esplanade schließlich erreichten, erwartete sie dort ein wahres Menschenmeer. Über die Köpfe der Masse hinweg konnte Nicholas das große, muschelförmige Dach der Freilichtbühne und darunter das Orchester sehen. Eine Frau trat ihm vors Schienbein. »Hey, Mister!«, rief sie. »Ich campiere hier schon seit fünf Uhr morgens. Hier wird sich nicht vorgedrängelt.« Paige schlang die Arme um Nicholas’ Hüfte, als ein Mann ihr von hinten an der Bluse zog und ihr sagte, sie solle sich setzen. Nicholas fühlte, wie sie an seiner Brust flüsterte: »Vielleicht sollten wir einfach gehen.«
Sie hatten keine Wahl. Sie wurden von der wogenden Menschenmasse immer weiter nach hinten gedrängt, bis sie in einem Tunnel standen. Der Tunnel war lang und dunkel, und sie konnten nichts sehen. »Ich glaube das einfach nicht«, sagte Nicholas, und noch während er überlegte, ob es wohl noch schlimmer kommen könnte, rollte eine Gruppe Biker heran, und einer davon fuhr ihm über den linken Fuß.
»Bist du okay?«, fragte Paige und berührte Nicholas an der Schulter, während er mit schmerzverzerrtem Gesicht im Kreis humpelte. Im Hintergrund hörte Nicholas, wie das Feuerwerk begann. »Himmelherrgott noch mal!«, fluchte er.
Hinter ihm lehnte Paige an der feuchten Betonwand des Tunnels. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Dein Problem, Nicholas«, sagte sie, »ist, dass das Glas für dich immer halb leer ist und nicht halb voll.« Sie stellte sich vor ihn, und selbst in der Dunkelheit konnte er das Glühen ihrer Augen sehen. Von irgendwoher war das Pfeifen eines Römischen Lichts zu hören.
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