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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Bist du ein Kennedy?«, murmelte sie.
    »Mit Sicherheit nicht«, antwortete Nicholas. »Das sind alles Demokraten.« Er führte Paige über einen schiefergedeckten Weg zur Vordertür, die Gott sei Dank nicht vom Zimmermädchen, sondern von Astrid Prescott persönlich geöffnet wurde. Sie trug eine zerknitterte Safarijacke und hatte sich drei Kameras um den Hals gehängt.
    »Nicholas!«, keuchte sie und schlang die Arme um ihn. »Ich bin gerade erst wieder zurückgekommen. Aus Nepal. Eine fantastische Kultur. Du musst unbedingt sehen, was ich habe.« Sie streichelte eine ihrer Kameras, als wäre sie lebendig. Dann zog sie Nicholas mit der Macht eines Hurrikans ins Haus und nahm Paiges kleine, kalte Hände in die ihren. »Und du musst Paige sein. Ich darf doch Du sagen, oder?« Paige nickte. Astrid führte sie in einen atemberaubenden, mit Mahagoni verkleideten Flur. Der Boden bestand aus Marmor, und Paige fühlte sich an die Herrenhäuser in Newport erinnert, die sie als Highschool-Schülerin mal im Rahmen eines Besuchs an der RSID gesehen hatte. »Ich bin seit noch nicht einmal einer Stunde wieder hier, und Robert hat von nichts anderem als von der geheimnisvollen, magischen Paige gesprochen.«
    Paige wich einen Schritt zurück. Robert Prescott war ein sehr bekannter Arzt, aber Astrid Prescott war eine Legende. Nicholas erzählte Bekannten nicht gerne, dass er mit der Astrid Prescott verwandt war, denn es war ein Name, den die Leute mit der gleichen Ehrfurcht aussprachen wie hundert Jahre zuvor den von Mrs. Astor. Jeder kannte Astrid Prescotts Geschichte: das reiche, verwöhnte Mädchen, das trotzig auf Bälle und Gartenpartys verzichtet hatte, um mit der Fotografie zu spielen, nur um schließlich eine der Besten auf diesem Gebiet zu werden. Und jeder kannte Astrid Prescotts Arbeit, vor allem ihre eindrucksvollen Schwarzweißaufnahmen, die vom Aussterben bedrohte Arten zeigten. Und diese Fotografien hingen – das fiel Paige jetzt auf – willkürlich verteilt im Flur. Es waren eindringliche Fotos mit beeindruckenden Licht- und Schattenspielen, und sie zeigten Meeresschildkröten, Berggorillas, prachtvolle Schmetterlinge, eine fliegende Eule und die Finne eines Blauwals. Paige erinnerte sich an einen Artikel über Astrid Prescott in der Newsweek , den sie vor Jahren einmal gelesen hatte und in dem die berühmte Fotografin erklärt hatte, sie wäre gerne beim Aussterben der Dinosaurier dabei gewesen.
    Paige schaute von einem Foto zum nächsten. Jeder hatte einen Astrid-Prescott-Fotokalender oder zumindest einen Abreißkalender, denn ihre Bilder waren einfach nur bemerkenswert. Sie fing Entsetzen und Stolz gleichermaßen gut ein. Neben dieser geradezu mystischen Frau und in diesem riesigen Haus fühlte Paige sich schier unendlich klein.
    Auf Nicholas hatte sein Vater eine weit größere Wirkung. Als Robert Prescott den Raum betrat, veränderte sich die Atmosphäre, als wäre die Luft ionisiert. Nicholas straffte die Schultern, setzte sein gewinnendstes Lächeln auf und beobachtete Paige aus dem Augenwinkel heraus. Und zum ersten Mal fragte er sich, warum er vor seinen eigenen Eltern eine solche Schau abziehen musste. Er und sein Vater berührten einander nie, es sei denn, man zählte Händeschütteln dazu. Es hatte etwas mit dem Zeigen von Zuneigung zu tun, und das war bei den Prescotts verboten. Als Folge davon fragten sich die Familienmitglieder bei Beerdigungen stets, warum sie dem Verstorben so viele Dinge nie gesagt hatten, die sie eigentlich hätten sagen sollen.
    Bei kalter Fruchtsuppe gefolgt von Fasan mit frischen Kartoffeln erzählte Nicholas seinen Eltern von seinen Erfahrungen in den unterschiedlichen Abteilungen, vor allem von der Notaufnahme. Allerdings verzichtete er bei Tisch auf die Schilderung der grausigen Einzelheiten. Seine Mutter wiederum lenkte das Gespräch immer wieder auf ihre letzte Reise. »Der Everest«, sagte sie. »Man kann ihn noch nicht einmal mit dem größten Weitwinkelobjektiv einfangen.« Sie hatte die Jacke zum Diner ausgezogen. Darunter trug sie ein altes Tanktop und eine weite Khakihose. »Aber diese Sherpas kennen die Berge wirklich wie ihre Westentasche.«
    »Mutter«, sagte Nicholas, »nicht jeder ist an Nepal interessiert.«
    »Nun, Chirurgie interessiert auch nicht jeden, Liebling; trotzdem haben wir alle höflich zugehört.« Astrid drehte sich zu Paige um, die den Kopf eines riesigen Hirschs anstarrte, der über der Tür zur

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