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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ein leerer Stuhl, und nervös starre ich darauf. »Das ist nur um der Symmetrie willen«, erklärt Astrid, als sie meinen Blick bemerkt. »Mach dir keine Sorgen.«
    Nicholas hat Max bereits abgeholt. Astrid hat ihr gesagt, dass er morgen eine Vierundzwanzig-Stunden-Schicht hat, weshalb er früh ins Bett wollte. Für gewöhnlich sitzt Max beim Abendessen in seinem Hochstuhl neben Robert, der ihn dann füttert.
    »Nicholas hat uns noch nicht viel von deiner Reise erzählt«, bemerkt Robert, und es klingt, als wäre ich auf Kreuzfahrt mit der QE2 gewesen.
    Ich schlucke und frage mich, wie viel ich den beiden erzählen kann, ohne mich in Schwierigkeiten zu bringen. Immerhin sind das hier Nicholas’ Eltern, egal wie nett sie auch sein mögen. »Ich weiß nicht, ob Nicholas euch je erzählt hat«, beginne ich zögernd, »dass ich ohne Mutter aufgewachsen bin. Sie hat uns verlassen, als ich fünf Jahre alt war, und als ich dann nicht gerade einen guten Job mit Max machte, habe ich mir gedacht, wenn ich sie finde, würde ich von da an automatisch alles richtig machen.«
    Astrid schnalzt mit der Zunge. »Du hast einen guten Job gemacht«, sagt sie. »Du hast all die harte Arbeit gemacht. Und du hast ihn doch gestillt, oder? Ja, ich erinnere mich daran, dass Nicholas erzählt hat, wie schwer es war, Max in nur einem Tag zu entwöhnen. Als ihr klein wart, haben wir uns über so etwas noch nicht einmal Gedanken gemacht. In unseren Kreisen war Stillen ›nicht angemessen‹.«
    Robert wendet sich ab und übernimmt das Gespräch. »Ignorier Astrid einfach«, sagt er und lächelt. »Manchmal verbringt sie Wochen oder gar Monate in irgendwelchen Hütten und ohne eine Menschenseele zu sehen. Sie ist es also gewohnt, mit sich selbst zu reden.«
    »Und manchmal«, sagt Astrid in betont freundlichem Ton, »gehe ich weg, und wenn ich dann mit mir selbst rede, stelle ich keinen Unterschied zu den Tischgesprächen mit dir fest.« Sie steht auf, geht zu Robert und beugt sich über ihn, bis er sie anschaut. »Habe ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?«, fragt sie und küsst ihn auf die Stirn.
    »Nein, das hast du nicht«, erwidert Robert.
    »Aha.« Astrid tätschelt ihm die Wange. »Dann hast du mir also doch zugehört.« Sie schaut zu mir herüber und grinst. »Ich gehe mal nachsehen, was mit unseren Steaks passiert ist.«
    Wie sich herausstellt, hat Robert Prescott schon von Donegal, dem Pferd meiner Mutter, gehört. Nun, nicht wirklich von Donegal, aber von seinem Vater, der von Seattle Slew abstammt. »Und sie macht das alles allein?«, fragt er.
    »Sie hat das Gelände von einer größeren Farm gepachtet, und ein Junge hilft ihr beim Stall ausmisten«, erkläre ich. »Es ist ein wunderschöner Ort. Es gibt dort so viel Grün, und unmittelbar dahinter liegen die Berge. Es ist wirklich ein schöner Ort zum Leben.«
    »Aber du bist nicht geblieben«, bemerkt Robert.
    »Nein«, antworte ich. »Das bin ich nicht.«
    In diesem Augenblick, gerade als mir das Gespräch zu unangenehm wird, kommt Astrid wieder aus der Küche zurück. »Noch fünf Minuten«, sagt sie. »Ist es zu glauben? Da lebt Imelda nun schon zwanzig Jahre bei uns, und sie weiß immer noch nicht, dass du dein Steak nur als Holzkohle magst.«
    »Ich mag es gut durch «, korrigierte Robert sie.
    »Jaja«, sagt Astrid und lacht. »Ich bin gut, nicht wahr?«
    Während ich die beiden so beobachte, zieht sich mir der Magen zusammen. Ich hätte nie gedacht, dass zwischen Nicholas’ Eltern eine solche Wärme herrscht, und es macht mir deutlich, was ich als Kind alles versäumt habe. Mein Vater erinnert sich mit Sicherheit nicht daran, wie meine Mutter ihr Steak mag, und meine Mutter könnte niemals sagen, was die Lieblingsfarbe meines Vaters ist. Ich habe nie gesehen, wie sich meine Mutter in der Küche hinter meinen Vater gestellt und ihn geküsst hat. Ich habe nie gesehen, dass sie so perfekt zueinander passen wie Robert und Astrid.
    In der Nacht, als Nicholas im Mercy um meine Hand angehalten hat, habe ich ihn eigentlich gar nicht gekannt. Ich wusste, dass ich seine Aufmerksamkeit wollte. Ich wusste, dass er Respekt verlangte, wo auch immer er hinging. Ich wusste, dass er Augen hatte, bei deren Anblick es mir den Atem verschlug, Augen von den wogenden Farben des Meeres. Ich habe Ja gesagt, weil ich glaubte, er würde mir über Jake hinweghelfen und über das Baby, meine Mutter und Chicago. Und dann machte ich ihm einen Vorwurf daraus, dass er genau das tat, er

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