Und dennoch ist es Liebe
aus Gewohnheit ab.
»Paige«, sagt die Stimme, »ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dich gefunden zu haben.«
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sage ich rasch, während ich noch rate, wer da wohl am anderen Ende der Leitung ist.
»Willst du Max nicht besuchen kommen? Er wartet schon den ganzen Tag auf dich.«
Astrid. Wer sollte mich auch sonst anrufen? Ich habe keine Freunde in dieser Stadt. »Ich … Ich weiß nicht«, sage ich. »Ich putze gerade das Haus.«
»Nicholas hat mir gar nicht erzählt, dass du wieder eingezogen bist«, sagt Astrid.
»Das bin ich auch nicht.«
»Paige«, sagt Astrid, und ihre Stimme klingt so scharf wie die Kanten ihrer Schwarzweißbilder. »Wir müssen reden.«
Mit Max auf dem Arm wartet sie auf mich an der Haustür. Er trägt einen edlen Overall und winzige Sneaker von Nike. »Imelda hat Kaffee für uns in den Salon gebracht«, sagt sie und gibt mir Max. Dann dreht sie sich um, geht in das imposante Foyer und erwartet von mir, dass ich ihr folge.
Der zum Spielzimmer umfunktionierte Salon wirkt weit weniger einschüchternd als damals, als ich mit Nicholas zum ersten Mal hier war. Ich frage mich, ob die Dinge sich wohl anders entwickelt hätten, wenn auch damals schon ein Schaukelpferd und eine Wiege mitten im Raum gestanden hätten. Ich lege Max auf den Boden, und sofort richtet er sich auf alle viere auf und schaukelt vor und zurück. »Schau«, rufe ich, und es verschlägt mir den Atem. »Er will krabbeln.«
Astrid gibt mir eine Tasse. »Ich will dir ja nicht deine Illusionen rauben, aber das macht er schon seit drei Wochen. Ihm fehlt noch die Koordination.« Ich schaue Max eine Weile beim Schaukeln zu und nehme mir die Sahne und den Zucker, die Astrid mir reicht. »Ich habe einen Vorschlag«, sagt Astrid.
Ich schaue sie ein wenig ängstlich an. »Ich weiß nicht …«, sage ich.
Astrid lächelt. »Du weißt doch noch gar nicht, worum es geht.« Sie rückt ein Stück näher an mich heran. »Hör zu. Nachts ist es inzwischen eiskalt. Sehr viel länger kannst du nicht auf dem Rasen schlafen, und Gott allein weiß, wie lange es noch dauern wird, bis mein sturer Sohn wieder zur Vernunft kommt. Ich möchte, dass du hier einziehst. Robert und ich haben darüber gesprochen. Wir haben mehr Zimmer als ein kleines Hotel. Aus Rücksicht auf Nicholas muss ich dich allerdings bitten, tagsüber das Haus zu verlassen, sodass ich mich weiter um Max kümmern kann. Nicholas ist ein wenig … sagen wir eigen , was die Frage betrifft, ob du in Max’ Nähe sein solltest. Aber ich sehe keinen Grund, warum sich unsere Wege nicht dann und wann kreuzen sollten, wenn ich Max habe.«
Ich starre Astrid mit offenem Mund an. Diese Frau bietet mir ein großes Geschenk an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, murmele ich und schaue zu Max auf den Boden. Eine Million Dinge gehen mir durch den Kopf: Da muss es doch einen Haken geben. Sie hat sich mit Nicholas was ausgedacht, um zu beweisen, dass ich als Mutter ungeeignet bin. Irgendetwas, um mir den Kontakt mit Max noch schwieriger zu machen. Oder sie will etwas als Gegenleistung. Aber was könnte ich ihr schon geben?
»Ich weiß, was du denkst«, sagt Astrid. »Robert und ich schulden dir etwas. Ich habe mich geirrt, als ich glaubte, du und Nicholas sollten nicht heiraten. Du bist genau, was Nicholas braucht, auch wenn er zu dumm ist, das selbst zu erkennen, doch er wird es noch merken.«
»Ich bin nicht, was Nicholas braucht«, widerspreche ich ihr und schaue weiter zu Max.
Astrid beugt sich vor, sodass ihr Gesicht nur noch wenige Zoll von meinem entfernt ist, und zwingt mich so, sie wieder anzuschauen. »Hör mir zu, Paige. Weißt du, was meine erste Reaktion war, als Nicholas mir erzählt hat, dass du gegangen bist? Ich dachte: Halleluja! Ich dachte, du hättest es wirklich in dir. Als Nicholas dich zum ersten Mal hierhergebracht hat, waren es nicht deine Vergangenheit oder dein Lebensstil, wogegen ich etwas gehabt habe. Für Robert kann ich natürlich nicht sprechen, aber auch er hat seine Vorbehalte inzwischen überwunden. Ich wollte jemand Entschlossenes für Nicholas, jemanden mit Schneid. Aber als ich dich sah, habe ich nur jemanden gesehen, der ihn vergöttert und ihm hinterherläuft wie ein Hund. Ich habe jemanden gesehen, der bereit war, sein Leben für ihn aufzugeben. Ich dachte nicht, dass du den Mumm hast, dich dem Wind zu stellen, geschweige denn einer Ehe. Aber nachdem du jahrelang nach seiner Pfeife getanzt bist,
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