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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ihre Hängeohrringe mir in die Haare baumeln. »Du musst doch wenigstens Bilder haben.«
    Ich schüttele den Kopf und nehme dankbar die Tasse Kaffee an, die Doris mir bringt. Lionel ignoriert die kleine Schlange, die sich an der Kasse gebildet hat, und setzt sich neben mich. »Dieser Arzt, den du da hast, ist vor ein paar Monaten hier gewesen. Er hat geglaubt, du seiest weggelaufen, und ist zu uns gekommen, weil er dich suchte.« Lionel schaut mir in die Augen, und seine Narbe verdunkelt sich vor Erregung. »Ich habe ihm gesagt, dass du nicht so jemand bist«, sagt er. »Ich kenne mich da aus.«
    Einen Augenblick lang sieht es so aus, als wolle er mich umarmen, doch dann reißt er sich zusammen und wuchtet sich vom Hocker. »Was guckst du so?«, knurrt er Marvela an, die neben mir mit den Händen ringt. »Wir haben hier ein Geschäft zu führen, Süße«, sagt er zu mir und stapft zur Kasse.
    Während die Kellnerinnen und Lionel wieder ihrer Routine folgen, schaue ich mich im Laden um. Die Speisekarten haben sich nicht verändert, aber die Preise. Sie stehen auf winzigen, fluoreszierenden Stickern, die auf der Karte kleben. Die Herrentoilette funktioniert immer noch nicht, wie bereits am letzten Tag, an dem ich hier gearbeitet habe. Und über der Kasse an der Wand hängen nach wie vor all die Gästeporträts, die ich gezeichnet habe.
    Ich kann nicht glauben, dass Lionel sie nicht einfach weggeworfen hat. Inzwischen sind doch sicher einige der Gäste gestorben. Ich schaue mir die Bilder an: Elma, die Taschenlady; Hank, der Chemieprofessor; Marvela und Doris; Marilyn Monroe und Nicholas … Nicholas . Ich stehe auf und gehe näher heran, um mir das Bild genauer anzusehen. Es hängt ganz unten, und ich muss mich bücken, ja fast kriechen. Ich fühle den verwunderten Blick der Gäste auf mir ruhen. Lionel, Marvela und Doris tun so, als würden sie mein Verhalten nicht bemerken.
    Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses Bild. Im Hintergrund hatte ich das Gesicht eines kleinen Jungen gezeichnet, der auf einem Baum sitzt und die Sonne in den Händen hält. Zuerst hatte ich geglaubt, meine Lieblingssage aus Irland gezeichnet zu haben: Cuchulainn, der den Palast des Sonnengottes verlässt, nachdem seine Mutter zu ihrem ersten Mann zurückgekehrt war. Damals hatte ich nicht verstanden, warum ich ausgerechnet diese spezielle Szene aus meiner Kindheit in Nicholas’ Porträt gemalt hatte, aber ich glaubte, es hatte etwas damit zu tun, dass ich weggelaufen war. Ich hatte die Zeichnung angestarrt, und ich hatte meinen Vater gesehen, wie er mir die Geschichte erzählt und dabei Pfeife geraucht hatte. Zu der Zeit hatte ich die Hände meines Vaters noch deutlich vor Augen. Sie waren schmutzig, und er gestikulierte damit, während er mir erzählte, wie Cuchulainn wieder auf die Erde kam. Ich fragte mich, ob Cuchulainn sein anderes Leben wohl je vermisst hatte.
    Monate später, als Nicholas und ich im Mercy saßen und uns sein Porträt anschauten, erzählte ich ihm die Geschichte von Dechtire und dem Sonnengott. Er lachte. Nicholas sagte, er habe noch nie von Cuchulainn gehört, aber als Kind habe er tatsächlich geglaubt, wenn er nur hoch genug in den Baum klettere, könne er die Sonne fangen. Ich nehme an , hatte er gesagt, in gewissem Sinne können wir das alle.
*
    Ich schließe das Haus auf und verbringe eine volle Stunde damit, schmutzige Socken und Unterhosen aus den unmöglichsten Orten hervorzuziehen: aus der Mikrowelle, aus dem Weinregal und sogar aus einer Suppenterrine. Als ich einen Stapel Wäsche beisammenhabe, schalte ich die Waschmaschine ein. Dann wische ich im Wohn- und Schlafzimmer Staub und schrubbe die Fliesen im Badezimmer. Und ich schrubbe auch die Toilette und sauge die hautfarbenen Teppiche, und ich tue mein Bestes, die inzwischen versteinerten Marmeladeflecken in der Küche wegzubekommen. Dann beziehe ich die Betten frisch und lege frische Decken in Max’ Wiege. Ich leere den Windeleimer und sprühe Parfüm auf den Teppich, damit der Gestank übertüncht wird. Und die ganze Zeit über läuft der Fernseher und zeigt die Seifenopern, die ich auch bei meiner Mutter gesehen habe, als sie sich den Knöchel gebrochen hatte. Ich sage Devon, sie soll ihren Mann verlassen, und ich weine, als Alanas Baby tot geboren wird, und ich schaue mir fasziniert eine Liebesszene zwischen einem reichen Mädchen namens Leda und Spider, einem Gauner, an. Ich decke gerade den Tisch für zwei, als das Telefon klingelt, und ich hebe

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