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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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lächelte. Dann beugte er sich vor, hob mich hoch und trug mich auf den Armen ins Haus. Er tanzte förmlich über die Schwelle. »Paige«, sagte er, »das ist ja großartig. Fantastisch!« Er setzte mich auf die hautfarbene Couch und strich mir das Haar aus den Augen. »Hey«, sagte er, »mach dir keine Sorgen wegen dem Geld.«
    Ich wusste nicht, wie ich ihm sagen sollte, dass ich mir keine Sorgen machte, sondern Angst hatte. Ich hatte Angst, weil ich nicht wusste, wie man ein Baby hält. Ich hatte Angst, dass ich mein eigenes Kind nicht lieben würde. Und vor allem hatte ich Angst, dass ich von Anfang an verdammt war, dass sich der Zyklus wiederholen würde, den meine Mutter begonnen hatte, dass das erblich war und dass ich eines Tages einfach meine Sachen packen und verschwinden würde.
    Nicholas legte die Arme um mich. »Paige«, sagte er und hielt meine Gedanken in der Hand, »du wirst eine wunderbare Mutter sein.«
    »Woher willst du das denn wissen?«, schrie ich und wiederholte dann leiser: »Woher willst du das wissen?« Ich starrte Nicholas an, der alles getan und erreicht hatte, was er sich vorgenommen hatte. Und ich fragte mich, wann ich die Kontrolle über mein eigenes Leben wieder zurückgewinnen würde.
    Nicholas setzte sich neben mich und schob die Hand unter meinen Sweater. Er öffnete meine Hose und breitete die Finger auf meinem Unterleib aus, als brauche das, was auch immer in mir heranwuchs, seinen Schutz. »Mein Sohn«, sagte er mit belegter Stimme.
    Es war, als hätte sich plötzlich ein Fenster geöffnet, und ich sah den Rest meines Lebens vor mir, sorgfältig seziert und in allen Einzelheiten. Ich dachte über meine Zukunft nach, wie sie von zwei Männern bestimmt werden würde. Und ich stellte mir vor, in einem Haus zu leben, wo ich immer die Außenseiterin bleiben würde. »Ich kann dir nichts versprechen«, sagte ich.

K APITEL 8
    P AIGE
    Der erste Mensch, in den ich mich verliebt habe, war Priscilla Divine.
    Sie war von Texas nach Chicago gekommen und hatte sich in Our Lady of the Cross angemeldet, meiner Schule, als ich im sechsten Schuljahr war. Sie war ein Jahr älter als wir anderen, obwohl sie nie sitzengeblieben war. Sie hatte langes honigfarbenes Haar, und sie ging nicht, sondern glitt. Ein paar Mädchen behaupteten, sie sei der Grund dafür gewesen, dass ihre Familie hatte umziehen müssen.
    Priscilla Divine umgab eine derart geheimnisvolle Aura, dass sie sich vermutlich jede als Freundin hätte aussuchen können, doch sie wählte mich. Eines Morgens, in der Religionsstunde, hob sie die Hand und sagte zu Schwester Theresa, sie glaube, sich gleich erbrechen zu müssen, und sie würde darum bitten, dass Paige sie auf die Krankenstation begleitet. Doch kaum waren wir im Flur, da sah Priscilla ganz und gar nicht mehr krank aus, und sie zog mich auf die Mädchentoilette und holte eine Packung Zigaretten aus dem Rock und eine Schachtel Streichhölzer aus der Socke. Sie zündete sich eine Zigarette an, atmete tief ein und bot mir die Kippe wie eine Friedenspfeife an. Da mein Ruf auf dem Spiel stand, inhalierte ich auch und unterdrückte meinen Husten. Priscilla war beeindruckt, und das war der Beginn meiner bösen Jahre.
    Priscilla und ich, wir taten alles, was wir nicht tun sollten. Auf dem Weg nach Hause liefen wir durch Southside, das Schwarzenviertel. Wir stopften unsere BHs aus, und wir schummelten bei Mathetests. Und wir beichteten diese Dinge nicht, denn – so hatte Priscilla mich gelehrt – bestimmte Dinge verriet man Priestern nicht. Das ging so weit, dass wir dreimal von der Schule suspendiert wurden, und die Schwestern legten uns nahe, unsere Freundschaft zu beenden.
    Als wir im siebten Schuljahr waren, entdeckten wir an einem verregneten Samstag den Sex. Ich war bei Priscilla, lag mit dem Rücken auf ihrer mit Lollipops verzierten Tagesdecke und schaute zu, wie draußen die Blitze über den Himmel zuckten. Priscilla blätterte durch einen Playboy , den wir im Zimmer ihres Bruders geklaut hatten. Wir hatten das Magazin schon seit mehreren Monaten. Wir kannten die Bilder inzwischen auswendig, und wir hatten alle Briefe im Ratgeberteil gelesen und die Worte nachgeschlagen, die wir nicht kannten. Selbst Priscilla war inzwischen gelangweilt davon. Sie stand auf und ging zum Fenster. Einen Augenblick lang wirkte sie im Licht eines Blitzes ausgelaugt und desillusioniert, so als würde sie schon seit Ewigkeiten auf die Straße starren und nicht erst seit wenigen Sekunden. Als sie

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