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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sich mit verschränkten Armen zu mir umdrehte, erkannte ich sie kaum wieder. »Paige«, sagte sie in beiläufigem Ton, »hast du je einen Jungen geküsst?«
    Das hatte ich nicht, aber das wollte ich ihr nicht verraten. »Sicher«, antwortete ich. »Hast du?«
    Priscilla warf ihr Haar zurück und trat einen Schritt vor. »Beweis es«, forderte sie mich heraus.
    Das konnte ich nicht. Denn eigentlich war dieses Thema eine meiner größten Sorgen. Ich hatte ganze Nächte wachgelegen und das Küssen an meinem Kissen geübt, aber auf diese Art hatte ich auf einige Fragen einfach keine Antwort bekommen, zum Beispiel, wohin ich mit meiner Nase sollte und wie man atmet. »Wie soll ich das denn beweisen?«, entgegnete ich. »Es sei denn, hier ist irgendwo ein Junge, den ich nur nicht sehen kann.«
    Priscilla kam auf mich zu, dünn und nahezu durchsichtig in dem gewittrigen Licht. Sie beugte sich über mich, sodass ihr Haar uns wie ein Zelt einhüllte. »Tu einfach so«, sagte sie, »als wäre ich der Junge.«
    Ich wusste, dass Priscilla meine Lüge durchschaut hatte, trotzdem hätte ich nie zugegeben, dass ich gelogen hatte. Also beugte ich mich vor, legte meine Hände auf ihre Schultern und drückte meine Lippen auf ihre. »Siehst du?«, sagte ich und winkte mit gespieltem Selbstbewusstsein ab.
    »Nein«, sagte sie, »so geht das.« Und sie drehte den Kopf und erwiderte meinen Kuss. Ihre Lippen bewegten sich, wo meine steif gewesen waren, und sie formte sie, bis mein Mund das Gleiche tat wie ihrer. Ich hatte die Augen weit geöffnet und beobachtete noch immer die Blitze. In diesem Augenblick wusste ich, dass jedes Gerücht über Priscilla, jede Warnung vor ihr durch die Schwester und jeder verstohlene Blick der Messdiener gerechtfertigt waren. Ihre Zunge glitt über meine Lippen, und ich zuckte zurück. Priscillas Haar klebte an meinen Schultern und meinem Gesicht wie ein Netz – denn unsere Körper waren elektrisiert.
    Später begannen wir, das Küssen zu einer Wissenschaft zu entwickeln. Wir borgten uns den roten Lippenstift von Priscillas Mutter, küssten uns vor dem Badezimmerspiegel und beobachteten, wie unsere Gesichter beschlugen, während wir uns liebten. Wir gingen in die öffentliche Bibliothek, wo wir heimlich in den Stapeln mit Liebesromanen für Erwachsene stöberten, blätterten zu den Sexszenen und flüsterten sie laut vor uns hin. Gelegentlich küssten wir uns dabei und spielten dabei abwechselnd den Jungen. Diejenige, die die Mädchenrolle übernahm, musste in Ohnmacht fallen, mit den Wimpern klimpern und atemlos flüstern wie die Frauen in diesen verbotenen Büchern. Wer den Jungen spielte, musste ruhig und aufrecht stehen und alles einfach hinnehmen.
    Eines Tages stand Priscilla nach der Schule plötzlich vor meiner Tür. Sie war vollkommen außer Atem. »Paige«, sagte sie, »du musst mit mir kommen. Sofort! « Sie wusste, dass ich im Haus bleiben sollte, bis mein Vater aus dem Büro kam. Er arbeitete gerade als Computerprogrammierer, um sein Einkommen aufzubessern, da es mit den Erfindungen wieder mal nicht so gut lief. Und sie wusste, dass ich nie ein Versprechen brechen würde, das ich meinem Vater gegeben hatte. »Paige, es ist wichtig.« Sie blieb hartnäckig.
    Ich ging mit ihr nach Hause und versteckte mich an diesem Tag in dem heißen, dunklen Schrank im Zimmer ihres Bruders, in dem es nach Sportsachen roch. Der Schrank hatte Lamellentüren, sodass wir durch die Spalten ins Zimmer spähen konnten. »Du darfst dich nicht bewegen«, flüsterte Priscilla. »noch nicht einmal atmen.«
    Priscillas Bruder Steven war auf der Junior High und die Hauptquelle für alles, was Priscilla über Sex wusste. Wir wussten, dass er es schon getan hatte, denn er hatte Kondome in seinem Nachttisch versteckt. Einmal hatten wir eins davon gestohlen und die silberne Verpackung aufgerissen. Ich hatte den blassen Schlauch über Priscillas Arm entrollt und gestaunt, dass er sich wie eine zweite Haut darübergelegt hatte. Immer wieder und wieder hatte ich mit den Fingern darübergestrichen.
    Minuten nachdem wir es uns im Schrank bequem gemacht hatten, kam Steven mit einem Mädchen herein. Sie war nicht von der Pope Pius, sondern vermutlich von irgendeiner öffentlichen Schule in Downtown. Sie hatte kurzes braunes Haar, trug pinkfarbenen Nagellack, und ihre weiße Jeans saß so tief, dass ihre Hüften zu sehen waren. Steven zog sie mit einem Stöhnen aufs Bett und knöpfte ihre Bluse auf. Das Mädchen trat sich die Schuhe von

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