Und dennoch ist es Liebe
vollkommen ruhig da. Sie lachte nicht, und sie klatschte nicht. Ein dünner Silberstreifen lief über ihr Gesicht, und Nicholas sah, wie sie sich die Tränen wegwischte. Sie schaukelte vor und zurück, bis sie auf den Knien war; dann wuchtete sie sich in die Höhe und trat neben ihren Mann. »Nicholas hatte einen langen Tag«, sagte sie. »Ich denke, wir sollten jetzt besser gehen.«
Nicholas schaute zu, wie Paige ihm den Mitfühlbauch abschnallte. Die Krankenschwester nahm ihn ihr ab, bevor sie das volle Gewicht würde tragen müssen. Nicholas lächelte die anderen an, als er Paige nach draußen folgte. Schließlich erreichten sie ihr Auto. Paige zwängte sich hinter das Lenkrad und schloss die Augen, als leide sie unter Schmerzen. »Ich hasse es, dich so zu sehen«, flüsterte sie, und als sie die Augen wieder öffnete, klar und blau wie Ceran, da starrte sie direkt durch ihren Mann hindurch.
K APITEL 13
P AIGE
Ich habe mein Kind während eines Hurrikans der Stufe vier zur Welt gebracht. Ich hatte gerade das Ende des achten Monats erreicht. Den ganzen Tag über hatte ich auf der Couch gesessen, müde von der erdrückenden Hitze, und mir die Nachrichten über den zu erwartenden Sturm angeschaut. Es war ein Freaksturm, eine Kette von Monsunfronten im Nordosten, die drei Monate zu früh dran waren. Der Wettermann riet mir, die Fenster mit Klebebändern zu sichern und in der Badewanne einen Wasservorrat anzulegen. Für gewöhnlich hätte ich das auch getan, doch an diesem Tag hatte ich einfach nicht die Energie.
Nicholas kam nicht vor Mitternacht nach Hause. Zu dem Zeitpunkt hatte der Wind bereits stark zugenommen und heulte durch die Straßen wie ein gequältes Kind. Nicholas zog sich im Badezimmer aus und schlüpfte leise ins Bett, um mich nicht zu wecken, aber ich hatte ohnehin nur wenig geschlafen, war immer wieder aufgewacht. Ich litt unter Rückenschmerzen und hatte schon dreimal pinkeln müssen. »Tut mir leid«, sagte Nicholas, als er sah, wie ich mich bewegte.
»Mach dir keinen Kopf«, erwiderte ich und setzte mich auf. »Ich kann genauso gut noch einmal auf die Toilette gehen.«
Als ich aufstand, spürte ich Wassertropfen unter meinen Füßen, und dummerweise nahm ich an, das Dach sei undicht.
Zwei Stunden später wusste ich, dass ich nicht ganz richtig gelegen hatte. Meine Fruchtblase war zwar noch nicht geplatzt – jedenfalls nicht so, wie wir es im Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatten –, aber ein kleines Rinnsal lief mir über die Beine, wann immer ich mich aufsetzte. »Nicholas«, sagte ich mit zitternder Stimme, »ich bin undicht.«
Nicholas rollte sich herum und drückte sich das Kissen auf den Kopf. »Vermutlich hast du nur einen Riss in der Fruchtblase«, murmelte er. »Du hast noch einen ganzen Monat Zeit. Schlaf weiter, Paige.«
Ich riss ihm das Kissen weg und warf es durch den Raum. Furcht packte mich mit der Gewalt des Winters. »Ich bin keiner deiner Patienten, verdammt noch mal«, sagte ich. »Ich bin deine Frau.« Und ich beugte mich vor und begann zu weinen.
Als ich wieder ins Badezimmer schlurfte, kroch ein Brennen von meinem Rücken um meinen Bauch herum und setzte sich unter meiner Haut fest. Es tat nicht weh, nicht richtig jedenfalls, noch nicht, aber ich wusste, das war das, was die Krankenschwester im Geburtsvorbereitungskurs nicht wirklich hatte beschreiben können: eine Wehe. Ich hielt mich am Waschbecken fest und starrte in den Spiegel. Ein weiterer Krampf ließ mich erzittern. Es war, als würde ich von innen heraus zerrissen. Ich musste an einen Versuch aus dem Physikunterricht denken, den Schwester Berontrice uns gezeigt hatte, als ich im elften Schuljahr war. Sie hatte Rauch in eine Coladose geblasen, bis kein Sauerstoff mehr übrig war, und sie anschließend mit einem Gummipfropfen verschlossen. Als sie dann ganz leicht das Aluminiumblech berührt hatte, war die Dose einfach in sich zusammengefallen. »Nicholas«, flüsterte ich, »ich brauche Hilfe.«
Während Nicholas sich am Telefon mit dem Anrufbeantworter meines Gynäkologen unterhielt, packte ich meine Sachen. Ich war einen Monat zu früh. Aber selbst wenn wir den Termin schon überschritten hätten, ich hätte meine Tasche vermutlich trotzdem nicht im Voraus gepackt. Denn das hätte bedeutet, dass ich die Unvermeidlichkeit des Geschehens anerkannt hätte, und ich glaubte nach wie vor, dass ich nicht zur Mutter bestimmt war.
Im Geburtsvorbereitungskurs hatte ich gelernt, dass die erste Wehenphase zwischen
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