Und dennoch
mindestens so gut wie das angeblich so viel stärkere Geschlecht.« Ich war kein Einzelfall, sondern erlebte dies stellvertretend für meine Frauengeneration.
Damit war ich einen großen Schritt weiter auf dem Weg zu meiner eigenen Emanzipation. Ich will aber nicht verschweigen, dass ich auch des Rats und der Förderung männlicher Kollegen bedurfte. Ohne deren Beistand wäre es für mich noch viel schwieriger geworden. Abgesehen von Theodor Heuss, meinem politischen Ziehvater, waren es Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und zeitweise Hans-Dietrich Genscher, der mich 1976 als Staatsministerin ins Auswärtige Amt holte. Von den Sozialdemokraten standen mir Waldemar von Knoeringen, Willy Brandt und Helmut Schmidt zur Seite, sie waren auch meine Vorbilder. Außerhalb der Parteien waren es Klaus von Bismarck, damals Chef des Nordwestdeutschen Rundfunks, sowie der Politologe Kurt Sontheimer.
Exkurs in die Geschichte der Frauenemanzipation
Gleichberechtigung und Gleichstellung sind uns Frauen nicht in den Schoß gefallen. Immerhin mussten wir nicht mit den gleichen Mitteln darum kämpfen wie einst die englischen Suffragetten, die sich am Gitter des Unterhauses anketteten und dafür ins Gefängnis gingen. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielten wir 1919 das aktive und passive Wahlrecht sowie eine »grundsätzliche« staatsbürgerliche Gleichberechtigung gleichsam geschenkt, allerdings mit vielen Ausnahmen von der Regel. Entwicklungsmöglichkeiten boten diese Errungenschaften aber kaum. Keine einzige Frau hatte in den vierzehn Jahren der Weimarer Demokratie eine herausgehobene Position in den wechselnden Regierungen, Parlamenten oder Parteien. Von den weiblichen Abgeordneten meldeten sich im Reichstag nur wenige zu Wort, und dies selten und fast ausschließlich zu sozialen Problemen oder Frauenfragen.
Ab 1933 verbannten die Nazis die Frauen wieder aus dem politischen Leben. Keine Frau durfte für die NSDAP kandidieren oder erhielt ein Parteiamt, was Gott- und Hitler-ergeben hingenommen
wurde: »Das Wort von der Frauen-Emanzipation ist ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort, und der Inhalt ist vom gleichen Geist geprägt … Denn ihre Welt ist ihr Mann, ihre Familie, ihre Kinder und ihr Haus … Dann enthält das Programm unserer nationalsozialistischen Frauenbewegung eigentlich nur einen einzigen Punkt, und dieser Punkt heißt das Kind …« So tönte Adolf Hitler am 8. September 1934 auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg vor der NS-Frauenschaft. Und so geschah es, überwiegend freudig und willig mit Mutterkreuz und in »stolzer Trauer« für gefallene Söhne, bis der »totale Krieg« das von der nationalsozialistischen Ideologie verordnete Frauenbild ein für alle Mal zerstörte.
Nach 1945 gab es abermals einen Neuanfang, was die Rolle der Frauen betraf, und vier Jahre später wie gesagt die Zuerkennung der im Grundgesetz nun uneingeschränkt als Grundrecht garantierten Gleichberechtigung, die für Ehe-, Familien-, Scheidungs- und weitere Gesetze erhebliche Konsequenzen mit sich brachte. Als Anpassungsfrist war das Jahr 1952 festgesetzt worden, ein Termin, für den sich in der ersten schwarz-gelben Koalition unter Kanzler Konrad Adenauer kaum jemand interessierte. Das einzige Zugeständnis war die Einführung einer Frauenreferentin im Range einer Oberregierungsrätin im Innenministerium. Die Zeit verstrich, und als die Frist zu Ende ging, beantragte die Regierung beim Bundesverfassungsgericht eine Verlängerung des Termins, die aber abgelehnt wurde. Dazu trug Erna Scheffler entscheidend bei, die im September 1951 als einzige Frau an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe berufen worden war. Auch in der Folgezeit unterstützte sie die notwendigen Durchführungsgesetze.
Diese Vorgänge dauerten Jahre. Alle einschlägigen Gesetze landeten zunächst einmal beim Bundesverfassungsgericht. Das lag zum einen an der konservativen Mehrheit im Parlament, zum anderen aber auch daran, dass keine Frau parlamentarische Führungsaufgaben übertragen bekommen hatte. Erst 1961 wurde eine Bundesministerin berufen, die Oberkirchenrätin Elisabeth Schwarzhaupt. Sie tat sich als erste Gesundheitsministerin der Bundesrepublik ungemein schwer. Mit der sozialliberalen Koalition 1969 wurde es dann besser: Kanzler Willy Brandt umgab sich mit zwei Ministerinnen und zwei Staatssekretärinnen (im Bild v.r.n.l.): Katharina Focke, Käte Strobel, Brigitte Freyh und Hildegard Hamm-Brücher. Vierzehn Jahre später zogen die
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