Und dennoch
Butenandt befanden sich darunter, aber auch Schriftsteller, Lehrer, Begründerinnen von Frauenorganisationen und Schauspielerinnen wie Ruth Leuwerik. Mithin war alles dabei, was im liberalen Lager Rang und Namen hatte. Selbst der mittlerweile im Ruhestand lebende Theodor Heuss hatte in einem Brief geschrieben, dass er, wäre er bayerischer
Wähler, der Initiative beitreten würde, weil er meine Bildungspolitik unterstützen wolle.
Das Wahlergebnis war eine Sensation. Ich erhielt mehr als das Doppelte an Zweitstimmen als der Erstplatzierte auf der FDP-Liste und zog als »Häufelkönigin« zum vierten Mal in den Landtag ein. Dieser Erfolg war ein weiterer großer Schritt in meiner eigenen Emanzipationsgeschichte als freischaffende Liberale und verstärkte meine Unabhängigkeit. Ich war nicht mehr von männlicher Gnade abhängig, was mein Vertrauen in die eigenen politischen Fähigkeiten stärkte. Das wurde mir aber erst nach und nach bewusst.
Oft fragte ich mich, ob ich es als Mann einfacher gehabt hätte, ob ich als Mann bei Konflikten wie zum Beispiel anlässlich des Sturzes von Bundeskanzler Helmut Schmidt und meiner öffentlich bekundeten » dissenting vote « auch so erbarmungslos ausgegrenzt und gemobbt worden wäre? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ziemlich stur sein konnte und alles überstanden – und mehr noch – auch verkraftet habe, denn Niederlagen und Misserfolge einfach wegzustecken, wie mir oft zum Trost geraten wurde, das war nicht meine Begabung. Ich denke, dass mein zeitweiliger Ruf, zu sehr Prinzipienreiterin und »Gesinnungspolitikerin« und deshalb nicht integrierbar zu sein, ein typisches Männerverdikt war, das ich immer mal wieder in Form von Häme, von sexistischer Aggressivität oder mitleidiger Abqualifizierung zu spüren bekam.
Meinen eigentlichen Dissens erlebte ich stets, wenn es für mich um essenzielle Fragen des Wissens und Gewissens ging, wenn ich, anlässlich von Entscheidungen, mich nicht der Männermehrheit anpassen konnte oder wollte und es wagte, allein zu stehen und »dennoch« zu sagen. Dann allerdings war Schluss mit jedweder gönnerhaften Männernachsicht und (schein)freundlicher Kollegialität.
Der Vollständigkeit halber sei angefügt: Was hatte es für mich mit der viel beschworenen Frauensolidarität auf sich und
was mit meinem Engagement in Frauenfragen? Erstere habe ich nach schwierigen Anfängen in hohem Maße erfahren. Entgegen der Meinung vieler Männer, Frauen würden keine Frauen wählen, verdankte ich meine Wahlerfolge überwiegend ihren Stimmen. Und zum zweiten Punkt: Mein Frauenengagement war mir von Anbeginn ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Schwerpunkt meines politischen Tuns und Lassens. Dass ich dabei trotz aller Wechselbäder weder verbitterte noch resignierte und auch nicht abhob, verdanke ich meinem unverwüstlichen Naturell, meinem Vorsatz, durchzuhalten, meiner überaus normalen Familie mit zwei frühzeitig selbstständig gewordenen Kindern, die mich daran hinderten, in Selbstmitleid oder Resignation zu verfallen. Zudem hatte ich ein solides Stehvermögen und meinen festen Glauben an Gottes gutes Geleit auch auf schweren Wegen.
Alternative Frauenpolitik und die Frage nach der Macht
Es ging mir in all den Jahren aber nicht nur um meine eigene Emanzipation. Als ich in den sechziger und siebziger Jahren feststellte, dass der Anteil der Frauen in Parlamenten und öffentlichen Ämtern im Wesentlichen unverändert geblieben war, begann ich mich verstärkt mit den Ursachen für das Schneckentempo bei der praktischen Umsetzung der Gleichberechtigung auseinanderzusetzen. Das waren vor allem die Unvereinbarkeit von Ehe, Familie und Beruf, die Schwierigkeiten, öffentlich und frei zu reden, und die ständigen Auseinandersetzungen, die Frauen scheuten.
Ich engagierte mich für Frauen nicht als Feministin, die ich auch nicht bin, weil konsequenter Feminismus meines Erachtens politisch in eine Sackgasse führt. Dennoch respektiere ich ihn sehr, verstehe mich aber selbst als emanzipierte Demokratin, und als solche versuchte ich den Status der Frauen in einem nach wie vor männlich geprägten Machtgefüge zu festigen und zu vertiefen.
Die Überwindung der ungleichen Bildungschancen bei Jungen und Mädchen war der erste und entscheidende Schritt, danach ging es darum, junge und ältere Frauen über ihre Rechte weiter aufzuklären und zu ermutigen. Ich unterstützte sie, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, bei der Vorbereitung auf
Weitere Kostenlose Bücher