Und dennoch
Führungsaufgaben.
Zum Ermutigen gehört aber auch das Bewundern. So ist, wie gesagt, Bundeskanzlerin Angela Merkel für mich eine wirkliche Powerfrau, wenn man bedenkt, wie wenige männliche Politiker aus der früheren DDR eine gesamtdeutsche politische Karriere geschafft haben. Auch Jutta Limbach, einstige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, zähle ich zu den starken Frauen.
Damit verbunden ist noch ein anderes Thema: Sollten Frauen nach mehr Macht im Sinn von »Herrschaft« in der Politik streben? Und was sollte ihnen wichtig sein? Wo liegen mögliche Einwände? Sollen sie es genauso machen wie die Männer oder neue, weniger aggressive, weniger skrupellose Formen des politischen Agierens entwickeln?
Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen möchte ich behaupten, dass sich für Frauen vielfältige Wirkungs- und Bewährungsfelder neu auftun können, bei denen es nicht um Herrschaftsmacht, sondern zuerst und vor allem um Entschlossenheit zur Verantwortung und um Glaubwürdigkeit geht! Und dass diese Aspekte auch im Hinblick auf den Ansehens- und Vertrauensverlust in unsere Demokratie für Frauen oberste Priorität haben sollten! Zudem sollten wir auch andere Felder, auf denen beruflich-emanzipatorische Prozesse im Gange sind, nicht außer Acht lassen, selbst wenn dieses Engagement nicht im Scheinwerferlicht der Kameras steht und dazu ohne Dienstwagen und Mitarbeitertross geleistet werden muss. Es ist deshalb nicht weniger wichtig, im Gegenteil. So ist zum Beispiel das Wirken von Frauen in der kommunalen Selbstverwaltung bereits zu einer großen Bereicherung geworden.
Emanzipation als Prozess wird nur dann gelingen, wenn er alle Bereiche des Zusammenlebens erreicht. Deshalb ist es wichtig,
in der Diskussion um weitere wünschbare Erfolge nicht nur Politikerinnen und ihre Karrieren im Auge zu haben, sondern sämtliche Berufszweige, in denen Frauen tätig sind, einschließlich Wirtschaft, Finanzwesen und Wissenschaft. Hier hinken die Frauen deutlich hinter der politischen Entwicklung her.
Zu diesem Ziel sollten wir unser Nachdenken über künftige emanzipatorische Prozesse nicht an männlich geprägten und besetzten Begriffen wie etwa Macht orientieren und damit den Eindruck erwecken, als ginge es um Nachahmung und Kopie von Rezepten, die in erster Linie etwas mit Dominanz zu tun haben. Wir sollten vielmehr nach einem anderen Verständnis suchen. Ich habe für mein individuelles Engagement Worte wie Verantwortung, Partnerschaft und Gestaltungswillen erprobt und dabei erfahren, dass ich darüber nicht machtbesessen geworden, sondern eigenständig geblieben bin. Nur so ist es möglich, an persönlichen Überzeugungen nach bestem Wissen und Gewissen festzuhalten. Deshalb: Nicht nur mit »Macht« kann man politisch wirken, sondern auch mit dem Wort, der eigenen Haltung und mit Beständigkeit.
Einmischung in nationale Grundsatzfragen
Zudem wünsche ich mir, dass sich Frauen mehr als bisher auch in Identitäts- und Grundsatzfragen einmischen, die mit unserer Geschichte und der Verantwortung für unsere historischen Erblasten sowie mit unserem nationalen Selbstverständnis zusammenhängen. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe haben mir Mitstreiterinnen – bis heute – gefehlt. Vielleicht ist es ja charakteristisch, dass Frauen kaum an einer Aufarbeitung und Auseinandersetzung dieser Dinge teilnehmen, weil die NS-Zeit samt ihren Verbrechen eine exzessive Männerherrschaft war, die Frauen zu Gebärerinnen degradiert und allenfalls als untergeordnete Gehilfinnen geduldet hat. Dennoch scheint mir immer notwendiger, dass Frauen auch hierfür Verantwortung übernehmen,
um gegenüber dem Aufkommen eines neuen Rechtsextremismus Widerstand zu leisten. Dies schließt die Verantwortung für die zeitgeschichtlichen Folgen der Hitler-Diktatur ein. So jedenfalls habe ich mein politisches und humanitäres Engagement seit 1945 verstanden, und so möchte ich junge Frauen dazu ermutigen, nicht nur Frauenpolitik zu vertreten, sondern sich ebenfalls in nationale Grundsatzfragen einzumischen.
Meine zweite Hoffnung ist es, dass sich nicht nur Frauen, sondern auch Männer als emanzipationsfähig erweisen. Nach dem Römischen Recht bedeutete Emanzipation die Entlassung des mündig gewordenen Sohnes aus der väterlichen Vormundschaft. Damit war nicht nur das Ende der materiellen Abhängigkeit gemeint, sondern ebenso die Loslösung von väterlichen Denkgewohnheiten und Verhaltensweisen.
Im Zeitalter der Aufklärung, in der unser
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