Und dennoch
Wir-Gefühl erzeugen und damit mittelbar zum Erfolg einer Schule beitragen. Das gute Abschneiden der skandinavischen und angelsächsischen Schulen geht entscheidend auf diese Faktoren zurück. Ganztagsschulen können und sollen nicht nur als Lern-, sondern vor allem als Erziehungs-, Förder- und Lebensorte gestaltet werden.
Der Deutsche Schulpreis, der alle zwei Jahre von der Robert-Bosch-Stiftung und der Heidehof-Stiftung verliehen wird, verfolgt genau diese Ziele. Aber ein Preis allein schafft noch keinen Aufbruch. Was wir brauchen, sind breit gestreute Ermutigung und
Anerkennung. Und wir brauchen dringend einen gesellschaftspolitischen Konsens über die Priorität dieser Lern- und Erziehungsziele sowie über die Aufwertung des Lehrerberufs.
Wie stehen die Chancen, dass die beschriebenen Schwächen und Defizite in unserem Schulsystem nicht nur durch partielle Reparaturen übertüncht, sondern von Grund auf revidiert werden? Sie stehen nur dann gut, wenn die Öffentlichkeit nicht länger die bildungspolitischen Versäumnisse hinnimmt, sondern Erziehung zur demokratischen Verantwortung als prioritäre gesellschafts-, demokratiepolitische und nationale Aufgabe erkennt.
Zu guter Letzt: Für mich persönlich ist der erfreuliche PISA-Aufbruch eine Genugtuung für meine jahrzehntelange bildungspolitische Sisyphusarbeit, und das bedeutet mir mehr als jeder Blumentopf.
Noch eine Chance für die Liberalen: mit Walter Scheel und Karl-Hermann Flach – Aufbruch in die sozialliberale Ära.
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Über Glanz und Elend des politischen Liberalismus
Am 22. September 2002, am Wahlsonntag, fuhr ich mittags – also noch vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse – zum Postamt am Münchner Hauptbahnhof und schickte um 14 Uhr per Einschreiben meinen Austrittsbrief an die FDP, zu Händen des »Vorsitzenden Herrn Dr. Guido Westerwelle«. Es war das letzte von drei Schreiben, die sich mit bildungspolitischen Versäumnissen und dem neuen Kurs der FDP – dem Wandel zur rechten Spaßpartei – auseinandergesetzt hatten, jedoch ohne vernünftige Antwort geblieben waren. Der Austrittsbrief hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, nach mehrmonatiger Bedenkzeit erkläre ich heute, am 22. September, meinen Austritt aus der FDP. Diese Entscheidung habe ich bewusst vor dem Wahlausgang und seinen Ergebnissen, sowie unabhängig von der politischen Zukunft Ihres Stellvertreters (Jürgen W. Möllemann) getroffen.
Meine Entscheidung, die mir sehr schwergefallen ist, basiert auf der Einsicht, dass ich meine persönlichen und politischen Grundwerte in der heutigen FDP nicht mehr ausreichend vertreten kann und gewährleistet sehe. Aus dieser Entwicklung und insbesondere durch die andauernde rechtspolitische, antiisraelische und tendenziell Antisemitismus schürende Agitation des stellvertretenden Parteivorsitzenden ist eine wechselseitige Entfremdung zwischen der Partei und mir entstanden, die für mich unerträglich und irreparabel geworden ist, weil sie die Fundamente meiner Überzeugungen für mein politisches Engagement infrage stellt.
Nach dem Erleben und den Erfahrungen der Nazidiktatur wollte ich seit 1945 alles in meinen Kräften Stehende dazu beitragen, dass in Deutschland nie wieder Rassen- und Fremdenhass direkt oder indirekt geschürt oder gar geduldet werden darf. Jüdischen und anderen rassischen und/oder religiösen Minderheiten sollte hinfort nicht nur eine angstfreie, sondern auch eine geachtete und gleichberechtigte Existenz gesichert und garantiert werden. Das schließt auch das Existenzrecht des Staates Israel in gesicherten Grenzen ein. Aus diesen Gründen konnte und kann ich diesbezügliche Kursschwankungen und Formelkompromisse, wie sie in der FDP gang und gäbe geworden sind, nicht länger mittragen.
Meine diesbezüglichen Besorgnisse habe ich Ihnen, Herr Vorsitzender, wiederholt mitgeteilt und dabei auf Ihre besondere Verantwortung für absehbare (Fehl)Entwicklungen in der FDP hingewiesen. (Ich erinnere an meine Briefe vom 12. Dezember 2001 und vom 6. Mai sowie 23. Juni 2002.) Ihre Reaktionen auf meine und andere warnende Stimmen, vor allem aber Ihr zögerliches Verhalten hinsichtlich der Eskapaden Ihres Vertreters haben mich in meiner Kritik bestärkt, dass Sie Ihre Führungsverantwortung nicht rechtzeitig und nicht ausreichend wahrgenommen haben. Sie haben zu lange geschwiegen und dem Möllemann-Kurs nicht rechtzeitig Paroli geboten. Für »Last-minute«-Absetzbewegungen ist es nun zu spät. Langwierige
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