Und der Basilisk weinte (German Edition)
vermute, dass du mir das nicht sagen wirst.»
«Sicher nicht, mein Junge. Sonst versiegt meine Quelle, eine von mehreren Lebensquellen.»
«So, so! Nun, da du schon weisst, weshalb wir hier sind, kannst du uns bestimmt auch einiges erzählen.»
Meister lächelte, schmiegte sich in den Sessel, schloss die Augen und überlegte. Jetzt war er in seinem Element, ganz wie früher. Er genoss seine Überlegenheit, zelebrierte seine Antworten.
«Das war einer meiner grössten Reinfälle. Dabei habe ich den Staatsanwalt gewarnt, die Beweislage war äusserst fragwürdig. Aber die Öffentlichkeit wollte einen Prozess. Also gab man der Bevölkerung Brot und Spiele. Das Recht blieb dabei auf der Strecke.»
«Waren die vier schuldig?»
«Ich bin fest davon überzeugt, Nadine. Aber wir hätten mehr Zeit gebraucht, um sie zu kriegen. Die hatten wir nicht. Staatsanwalt Streck drängte auf die Anklage. Der Fall wurde uns praktisch entzogen, bevor die Ermittlungen abgeschlossen waren. All meine Proteste fruchteten nichts. Manchmal denke ich …»
«Was denkst du?»
«Es ist gefährlich, was ich dir jetzt anvertraue, Francesco. Ich habe noch mit niemandem darüber gesprochen. Manchmal denke ich, dass Streck den Prozess bewusst forciert hat. Er war ein alter Fuchs, er wusste ganz genau, dass wir untergehen würden. Und trotzdem wollte er den Prozess durchziehen.»
«Auf Druck der Öffentlichkeit?»
«Vordergründig ja. Ich bin den Fall immer und immer wieder durchgegangen. Ich bin sicher, dass Streck bewusst verloren hat.»
«Das ergibt keinen Sinn.»
«Streck wusste, dass wir kurz vor dem Durchbruch standen. Das wollte er verhindern.»
Ferrari runzelte die Stirn. Die Meinung eines frustrierten Polizisten, dem es nicht gelungen war, einen seiner wichtigsten Fälle zu lösen?
«Glaub mir, Francesco, ich bin nicht gaga. Streck wollte nicht, dass die vier Angeklagten überführt werden.»
«Weshalb nicht?»
«Philippe Stählis Vater war der beste Freund von Alexander Streck. Nur wusste ich dies zu jenem Zeitpunkt nicht. Ich erfuhr es erst sehr viel später. Die beiden verbrachten praktisch jede freie Minute zusammen. Streck hintertrieb meine Ermittlungen, um seinem besten Freund einen Gefallen zu erweisen.»
«Wenn das stimmt …»
«Es stimmt, mein Junge. Ich habe Streck einige Jahre später gestellt und ihn mit meiner Vermutung konfrontiert. Er lachte mich aus. Dann drohte er mir. Aber du hättest die Angst in seinen Augen sehen sollen, Francesco. Dann wüsstest du, dass ich keinen Unsinn erzähle.»
«Diesen Streck, wo finden wir ihn?»
«Auf dem Friedhof Hörnli, ganz in der Nähe vom Grab des alten Stähli.»
«Wahnsinn!»
«Wahnsinn mit Methode könnte man sagen, Nadine. Leider konnte ich nichts beweisen. Es gibt nicht nur weisse Schafe bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft.»
«Das ist mir schon klar. Bloss sind jetzt alle unter der Erde.»
«Nicht alle. Drei der Täter laufen noch frei rum, Francesco.»
«Kannst du uns etwas genauer schildern, wie das Ganze damals ablief?»
«Die Fakten habt ihr sicher bereits in den Akten eingesehen.»
«Ja. Uns interessiert vor allem, was nicht in den Akten steht», präzisierte Nadine.
«Die Verbindung zwischen Streck und dem alten Stähli habe ich euch schon geschildert. Sinnigerweise war Hartmann der Dritte im Bunde. Ebenfalls ein guter Freund von Streck und Stähli. Er verteidigte alle vier potenziellen Täter, was unüblich ist. Dadurch konnte er eine einheitliche Strategie festlegen.
«Und das wurde von euch zugelassen?»
«Irgendwie ging ich den Fall viel zu naiv an. Aber ich dachte nicht, dass jemand in den eigenen Reihen ein mieses Spiel treibt. Es wurde mir erst nach dem Prozess bewusst. Hartmann hielt alle auf dem Laufenden. Als Selm gestand, wurde dieser so lange von ihm bearbeitet, eine richtige Gehirnwäsche, bis er am Prozess seine Aussage widerrief. Glaubt mir, es war ein gut eingefädelter Komplott, ein abgekartetes Spiel, mit einem alten Idioten als Kommissär, über den sich die Beteiligten den Ranzen voll lachten.»
«Entschuldige, Bernie. Ist das wirklich alles so abgelaufen?»
«Ich schwöre es. Du glaubst sicher, dass ich nur meinen Frust rauslasse, weder sachlich noch objektiv bin. Ich gebe zu, abgeschlossen oder besser gesagt verarbeitet, habe ich diesen Fall noch immer nicht. Wenn ich nur daran denke, läuft bei mir innerlich ein Film ab. Am meisten kaue ich daran, dass mich der Staatsanwalt derart hintergangen hat und dass dieses
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