Und der Basilisk weinte (German Edition)
gehört, Francesco?», nahm Nadine den Gesprächsfaden auf.
«Eher die Spinnereien eines pensionierten Kommissärs, der uns imponieren wollte.»
«Diesen Eindruck hatte ich überhaupt nicht. Vielmehr hat er uns überaus glaubwürdig den Ablauf einer zukünftigen Mordserie geschildert.»
«Du denkst wirklich, dass Bernie in den Mord verwickelt ist?»
«Wundern würde es mich nicht. Ich habe ihn beobachtet, als er mit der Aufzählung begann. Zuerst Selm, dann Richter und zum Schluss Stähli. Das hat er sich nicht einfach so aus den Fingern gesogen. Das war genau durchdacht. Keine Improvisation.»
«Das war sein Beruf, Nadine. Und den beherrschte er wirklich gut. Man versetzt sich in den Mörder, spielt den Mordfall oder mögliche Abläufe aus dessen Perspektive durch. Manchmal funktioniert es, und zwar öfters, als du glaubst. Das hat Meister noch immer perfekt drauf, so etwas verlernt man nicht.»
«Wenn es so ist, dann klang es sehr plausibel.»
Ferrari sah zum Fenster hinaus. Felder, Wiesen, Häuser huschten vorbei. Und wenn Nadine recht hat, wenn Meister wirklich hinter dem Mord steckt? Nicht auszudenken … Sobald der Autopsiebericht vorliegt, muss ich ihn nach seinem Alibi fragen.
«Es will mir nicht in den Kopf, dass Bernhard Meister ein Mörder sein könnte», dachte Ferrari laut.
«Er sieht das ganz anders. Er ist ein Rächer im Namen des Gesetzes. Richter und Vollstrecker in einem. Ein Mann, der nach fünfzehn Jahren eine brutale Tat sühnt.»
«Und weshalb hat er so lange gewartet? Das macht doch keinen Sinn. Inzwischen ist er dreiundsiebzig, also nicht mehr der Jüngste. Die vier, nennen wir sie mutmassliche Opfer, sind Mitte dreissig. Ein ungleicher Kampf. Spätestens jetzt, nachdem Gissler tot ist, werden die anderen vorsichtig sein.»
«Vielleicht hat er einen Komplizen oder eine Komplizin.»
«Elisabeth Fahrner?»
«Nicht abwegig. Kannst du dich an die Worte von Borer erinnern?»
«Meister hatte intensiven Kontakt zu den Fahrners.»
«Er sprach sogar von Verbrüderung. Was ist, wenn sie gemeinsam auf dem Rachefeldzug sind?»
«Schön und gut. Bleibt die Frage, wieso gerade jetzt? Du kannst mir sagen, was du willst, aber mit jedem Jahr lässt der Hass nach, wird etwas leiser. Elisabeth Fahrner hätte doch schon längst zugeschlagen und nicht über ein Jahrzehnt auf eine passende Gelegenheit gewartet. Dann noch etwas: Aus welchem Grund würde uns der angebliche Mörder erzählen, in welcher Reihenfolge die Morde geschehen werden?»
«Die Schachpartie ist eröffnet, Francesco. Wir haben ihn aufgesucht, nachdem ein Bauer sein Leben verloren hat. Er verriet uns die Reihenfolge seiner Züge, bis hin zum krönenden Abschluss, der Ermordung von Philippe Stähli, weil er sich absolut sicher fühlt oder um uns in die Irre zu führen.»
«Du spinnst, Nadine! Du hast zu viele Edgar Wallace gesehen.»
«Wer ist Edgar Wallace?»
«Ein Krimiautor … dafür bist du zu jung. Das waren noch Schwarz-Weiss-Filme. … Du siehst Gespenster, Nadine. Bernie ist kein Mörder. Glaub mir.»
Den Nachmittag nutzte Nadine, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Währenddessen verschanzte sich Ferrari in seinem Büro. Was er genau tat, blieb sein Geheimnis. Die Rede war von Altlasten. Nadine ahnte, dass er noch einigen Bürokram zu erledigen hatte, und liess ihn wohlweislich in Ruhe. Morgen war auch noch ein Tag und die Wahrscheinlichkeit, einen besser gelaunten Chef anzutreffen, um einiges grösser. Bevor Kommissär Ferrari nach Hause fuhr, kaufte er sich die DVD «Ein Richter sieht rot». Wer weiss, vielleicht brachte ihn der Film einen Schritt weiter.
7. Kapitel
«Das habe ich mir einfacher vorgestellt!», platzte Nadine in Ferraris Büro.
«Was hast du dir einfacher vorgestellt?»
«Das mit den Adressen und den Infos über die drei. Ich dachte, ich rufe mal schnell beim Einwohneramt an. Bevölkerungsdienste und Migration wie der Bereich so schön heisst. Die werden mir sicher Auskunft geben. Pustekuchen! Die verkalkten Idioten lamentierten rum. Von wegen Datenschutz und so.»
«Tja, heutzutage sind Beamte vorsichtig. Die Daten könnten in falsche Hände geraten.»
«Ach was. Der Idiot war nur zu bequem, mir die Infos rauszusuchen. Inzwischen habe ich die Daten. Hat zwar länger gedauert, dafür ist es auch einiges mehr.»
«Doch noch übers Einwohneramt?»
«Nicht ganz. Das heisst nur Adresse und so», lachte Nadine. «Toni half mir weiter. Er verfügt über gute Verbindungen. Der Rest
Weitere Kostenlose Bücher