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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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auf ihre Worte zu achten, wählte Decker die Nummer der Auskunft.
    »Du bist verrückt!«, rief Cindy. »Ich habe einen Irren zum Vater!«
    »Sei still, sonst verstehe ich nichts!«
    »O mein Gott!« Sie rutschte auf ihrem Sitz ein Stück nach unten. »Ich wünschte, ich wäre katholisch. Dann könnte ich mich jetzt wenigstens bekreuzigen.«
    Decker beendete das Gespräch und schob das Telefon wieder in seine Tasche. »Er steht nicht im Telefonbuch. Fällt dir die Nummer wirklich nicht mehr ein?«
    Cindy seufzte. »Ich glaube, die erste Zahl war eine Sechs oder Sieben.«
    »Wenn er irgendwo an der Kreuzung von Broadway und Thirty-second wohnt, dann heißt das, wir haben es mit einer dreistelligen Nummer zu tun.«
    »Ja, du hast Recht. Es war eine dreistellige Hausnummer; eine gerade Zahl, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Das schränkt die Sache doch schon ganz erheblich ein. In fünf Minuten sind wir dort. Lass uns einfach ein bisschen herumschauen. Wer weiß, vielleicht fällt dir vor Ort noch irgendwas ein, oder wir kommen an einem durchlöcherten bronzefarbenen Nova vorbei.«
    »Was du auch planst, es soll mir recht sein. Und ich bin auch dabei, wenn wir diesem Scheißkerl Pepe Renaides auf den Zahn fühlen - falls wir ihn überhaupt finden. Aber vorher gibst du mir dein Telefon und lässt mich Koby anrufen.«
    »Nein.«
    »Dad -«
    »Keine Chance!«
    »Daddy, er macht sich Sorgen um mich. Und ehrlich gesagt würde ich selbst auch gern mit ihm sprechen.« »Nein.«
    »Wenn du mir das Telefon nicht gibst, steige ich an der nächsten Ampel aus.«
    »Wir sind auf einem Freeway.«
    »Daddy, du gibst mir jetzt auf der Stelle dieses gottverdammte Telefon!«
    »Na bitte, geht doch! Jetzt redest du mit dem nötigen Nachdruck.« Lächelnd reichte Decker seiner Tochter das Telefon. »Wurde aber auch Zeit, dass du mal ein bisschen energischer wirst!«

36
    Ein grauer Himmel hing über der erwachenden Stadt, als der Loo seinen Porsche am Straßenrand parkte. Wir befanden uns in einer Gegend mit hoher Kriminalitätsrate, und als einziger Sportwagen weit und breit schrie der Porsche geradezu: Klaut mich! Zerkratzt mich! Als ich Decker fragte, ob er ein gutes Gefühl dabei habe, sein Baby völlig schutzlos zurückzulassen, zeigte er mir wortlos seine Beretta. Da gab ich es auf. Der Mann zog seine private Mission durch, verkleidet als mein Schutzengel.
    Es war ein Einwandererviertel, vorwiegend hispanisch. Auch wenn die Leute hier nicht im allerschlimmsten Elend lebten, waren die meisten von ihnen doch ziemlich arm. Da die Gegend älter war als ihre gegenwärtigen Bewohner und durchaus schon bessere Zeiten gesehen hatte, gab es noch immer ein paar alte Herrenhäuser, die mit einer heute nicht mehr üblichen Liebe zum Detail gebaut waren. Die meisten dieser Anwesen aber waren von der nahe gelegenen Universität aufgekauft worden und wurden als Studentenwohnheime genutzt. Der Rest der Architektur bestand aus Häusern der Jahrhundertwende, die aussahen, als wären sie mit Lebkuchen verziert, voller Muscheln und Schnörkel, ansonsten aber schon sehr altersschwach wirkten und dringend einer aufwendigen Renovierung bedurft hätten, dem einen oder anderen Bungalow mit großzügiger Veranda und Schindeln auf dem Dach und an den Seiten und ramponierten, grob verputzten kleinen Einfamilienhäuschen, die ihren Bewohnern nicht viel mehr boten als Schutz vor den Elementen. Noch schlimmer aber waren die Wohnblocks - stupide rechteckige Klötze, von denen der Verputz abblätterte.
    Ich fragte mich, wie Decker sich das Ganze eigentlich vorstellte. Wir konnten ja schlecht von Haus zu Haus gehen und an jeder Tür klingeln. Er schlug vor, mit einem kleinen Spaziergang zu beginnen und uns erst mal die Beine zu vertreten. Während wir die Straßen entlanggingen, sahen wir uns die Briefkästen an, lasen Adressen auf Zeitungssendungen und überflogen die Namen an den Eingängen der Wohnblocks. Nichts, was auch nur annähernd nach Renal-des klang. Nach einer Stunde fruchtloser Bemühungen sagte ich zu Dad, dass ich unsere Suchaktion ziemlich albern fände.
    »Geduld.« Er rieb sich die Hände. »Lass uns einfach noch eine Weile hier rumhängen.« »Dad, wir wissen doch nicht mal, ob das hier der richtige Wohnblock ist.«
    »Ich glaube, wir sind schon ganz nahe dran.«
    »Was veranlasst dich zu der Annahme?« Es war halb sieben, und ich konnte mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten. »Sag mal, solche Baufirmen fangen doch ziemlich früh

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