Und der Herr sei ihnen gnädig
Schulter tippte, zuckte ich erschrocken zusammen.
»Ich hab doch gesagt, dass du dich irgendwohin setzen sollst.«
»Es geht mir gut.«
»Das stimmt nicht.«
Wir schwiegen einen Moment.
»Wer ist der Kerl, mit dem du aus warst?«, fragte Oliver. Ich deutete auf Koby.
»Der Muskelmann mit dem nackten Oberkörper?«
Ich riss den Kopf herum und funkelte ihn wütend an.
Oliver stieß ein bitteres Lachen aus und schüttelte den Kopf. »Weiß Daddy, dass du Schokoladenkuchen isst?«
Seine Worte trafen mich auf eine Weise, die ich kaum beschreiben kann. Ich war völlig perplex. Nein, perplex ist nicht annähernd das richtige Wort. Die Wut stieg so schnell in mir hoch, dass mir davon die Augen tränten. Die alte Cindy hätte ihm eine geknallt und ihm anschließend noch einen Schwall von Beschimpfungen an den Kopf geworfen, aber wenn mir das letzte Jahr überhaupt etwas gebracht hatte, dann die Erkenntnis, dass es oft am besten war, so wenig wie möglich zu sagen.
»Lass mich in Ruhe, Oliver.« Meine Stimme klang zornig. »Lass mich bloß in Ruhe.« »Hey!«, rief Hayley zu uns herüber, während sie das letzte Stück Absperrungsband befestigte. »Bei euch alles okay?«
Sie sah mir meine Wut wohl an. »Alles bestens, Marx.« Ich stolzierte davon, befreite im Gehen meine Hände von den Gummihandschuhen und setzte meine Suche nach der Tasche fort. Oliver war immerhin so klug, mir nicht zu folgen. Eine Minute später stand Hayley mit einer Taschenlampe neben mir. »Was hat er zu dir gesagt?«
»Nichts.«
»Lügnerin.«
»Hilf mir lieber, nach der Handtasche zu suchen.«
»Das mache ich doch gerade.« Sie leuchtete mit der Lampe über den dunklen Boden. »Wer ist der Typ, mit dem du aus warst?«
Diesmal sagte ich es lieber gleich direkt. »Der Schwarze da drüben.«
»»Wirklich}« Sie betrachtete ihn einen Moment schweigend. »Toller Body. Warum läuft er mit nacktem Oberköper rum?«
Obwohl ich es nicht wollte, klang meine Stimme verächtlich. »Weil er sich sein Hemd heruntergerissen hat, um damit eine verletzte Arterie abzubinden.«
»Wow... cool!«
»Hayley, halt den Mund!«
Sie legte die Hände auf meine Schulter, und ich begann zu heulen. Als sie mich daraufhin fest in den Arm nahm, wehrte ich mich nicht. »Das wird schon wieder,
Cindy, das wird schon wieder.«
»Es war so grauenhaft... dieses fürchterliche Geräusch!« Ich löste mich von ihr. »Wir müssen die Tasche suchen. Wir müssen herausfinden, wer die Frau ist... war.«
»Ich weiß, dass er eine Ratte ist, Decker, und ich bin selbst auch eine Ratte, weil ich mit ihm ausgehe, vor allem, weil ich weiß, dass er dich immer noch mag -«
»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für ein Psychodrama, Marx.«
Ich ließ sie stehen und wandte meine Aufmerksamkeit wieder meiner Umgebung zu. Die Leiche war etwa drei Meter neben einem weißen Bürogebäude gelandet, das von einer Ligusterhecke gesäumt wurde. Vielleicht war die Tasche ja irgendwo im Gebüsch. Ich begann die einzelnen Äste auseinander zu ziehen. Es war dunkel, und ich starrte in schwarze Löcher.
»Vielleicht hättest du mehr Aussicht auf Erfolg, wenn du etwas sehen könntest.«
Hayley reichte mir die Taschenlampe, und ich leuchtete damit in das dichte Laub.
»Danke.«
»Wie wär's, wenn ich die Lampe halte, während du suchst?«
Ich nickte. »Danke.« Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: »Ich weiß, dass ich unmöglich bin.«
»Du bist nicht unmöglich, Decker, du hast bloß etwas Schockierendes gesehen. Oliver hat Recht. Du solltest dich hinsetzen.«
Zweige kratzten über meine Hände. »Oliver hat nicht mit allem Recht.«
»Wie lange kennst du den Knaben schon?«
»Eine Woche. Das ist noch nichts Ernstes. Übrigens kannst du mir gern ein bisschen suchen helfen, wenn du mit dem Halten der Lampe nicht ausgelastet bist.«
Hayley spähte der Form halber ein wenig in die Hecke hinein. »Euer erstes Date?«
»Das dritte.«
»Das dritte... dann läuft es anscheinend gut.« »Kann ich hier drüben ein bisschen Licht haben?« Sie richtete den Lichtstrahl auf die entsprechende Stelle. »Ist schon was passiert?«
Ich gab ihr keine Antwort.
Ihre Stimme klang aufgeregt. »Ist er gut?«
Erneut zog ich es vor zu schweigen.
Sie wurde immer aufgeregter. »Stimmt es, was man immer über schwarze Männer hört?«
Ich musste mich schwer beherrschen, ihr keine zu knallen.
Hayley starrte ins Gebüsch, richtete die Taschenlampe auf eine bestimmte Stelle. »Was ist
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