Und der Herr sei ihnen gnädig
Taschenlampe ins Innere des Wagens.
»Gut, dass du die Taschenlampe mitgebracht hast. Leuchte doch bitte mal hierher.«
»Was ist mit der Fußgänger...?«
»Tot. Ah, du trägst Handschuhe. Drück doch bitte fest auf diese Stelle hier. »Nein, nicht da... hier.«
Im Hintergrund heulten Sirenen auf. Zu dieser nächtlichen Stunde hörte man sie schon von weitem. Während ich mit der linken Hand auf ein verletztes Blutgefäß drückte, wählte ich mit der Rechten noch mal die 911. Dann klemmte ich mir das Telefon zwischen Schulter und Wange, damit ich die Hand frei hatte, um den Lichtstrahl der Taschenlampe auf die Stelle zu richten, wo Koby gerade arbeitete. Er versuchte, das Baby zu befreien - zum Glück hatte er einen Puls bei ihm feststellen können -, aber rasierklingenscharfes Metall versperrte ihm den Weg.
»Hier spricht Officer Cynthia Decker vom LAPD. Ich habe gerade eine Fahrerflucht mit Todesfolge gemeldet. Bitte verbinden Sie mich mit dem Polizeifunk, damit ich die entsprechenden Informationen an alle Streifenwagen in der Nähe des Tatorts durchgeben kann.«
Mein Hals war wie zugeschnürt, ich musste mir den Kopf verrenken, um das Telefon halten zu können, und meine Muskeln begannen zu schmerzen. Das Adrenalin, das durch meinen Körper schoss, ließ mein Herz rasen und meine Atmung stoßweise gehen. Als sich dann schließlich der Polizeifunk meldete, hatte ich meine Stimme wiedergefunden.
»Ich möchte eine Fahrerflucht mit Todesfolge melden. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen dunklen Jeep Cherokee neueren Baujahrs, die letzten vier Stellen des Nummernschildes lauten Henry-fünf-zwei-drei, ich wiederhole: Henry-fünf-zwei-drei, der Wagen wurde zuletzt auf der Terazzo Avenue gesehen, wo er in nördlicher Richtung fuhr. Bitte, alle Streifenwagen in der Gegend sofort nach dem Fahrzeug Ausschau halten! Außerdem brauchen wir am Unfallort Verstärkung - Ecke Terazzo und Sunset.« Ich wartete, bis die weibliche Stimme am anderen Ende die Informationen wiederholt hatte. Dann beendete ich das Gespräch. Koby steckte bis zu den Handgelenken in Blut und verband klaffende Wunden mit dem Verbandmull aus dem Erste-Hilfe-Kasten. Es war, als versuchte er einen Dammbruch mit einem Finger abzudichten.
Das Heulen der Sirenen wurde lauter. Im zerbrochenen Glas der Autofensterscheiben sah ich das blinkende Licht des Krankenwagens. Seit meinem ersten Anruf waren keine drei Minuten vergangen, auch wenn es mir viel länger vorkam. Als sie mich zur Seite schoben, hätte ich mich am liebsten bei ihnen bedankt. Koby, der noch immer mit dem Baby beschäftigt war, informierte den Notarzt und die Sanitäter rasch über den Zustand des Kindes, dann bat er darum, über das Telefon im Krankenwagen mit einem Arzt im Krankenhaus sprechen zu dürfen. Während er weiter medizinischen Fachjargon von sich gab, trat ich ein paar Schritte zurück und überlegte, wie ich mich nützlich machen könnte.
Zögernd ging ich zu der Leiche der Frau hinüber. Es war ein grauenvoller Anblick, wie sie da mit gebrochenen, verdrehten Gliedmaßen auf der Straße lag. Auch ihr Schädel war gebrochen, an einer Stelle quoll das Gehirn heraus. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment ohnmächtig zu werden oder mich zumindest übergeben zu müssen. Gerade als ich mich zwang, den Blick von der Leiche zu lösen, hielt ein paar Meter von mir entfernt ein Zivilwagen. Zwei Personen stiegen aus und zückten ihre Marken. Sie hätten es sich sparen können, ich kannte beide nicht nur vom Sehen.
Hayley Marx war eine Kollegin von mir, die Einzige auf dem Revier, die ich als Freundin bezeichnen konnte. Eine Zeit lang waren wir zweimal im Monat essen gegangen, aber inzwischen passten unsere Dienstpläne nicht mehr zusammen. Wir hatten es schon eine ganze Weile nicht mehr geschafft, Zeit für ein Treffen zu finden.
Sie war groß und schlank und sah in ihrem schwarzen Hosenanzug phantastisch aus.
Ihr Begleiter war der Letzte, den ich jetzt sehen wollte. Detective Scott Oliver arbeitete unter der Leitung meines Vaters im Morddezernat. Früher waren die beiden Kollegen gewesen, und Oliver hegte nach wie vor einen leichten Groll, weil mein Vater befördert worden war und er nicht. Meine idiotische Affäre mit ihm hatte nicht gerade dazu beigetragen, die Situation zu entspannen. Kaum begonnen, war es auch schon wieder vorbei gewesen, aber wie ich von gemeinsamen Bekannten wusste, trauerte er mir immer noch nach. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen,
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