und der Hongkong-Buddha
schwerfiel, sich damit abzufinden.
»Guten Tag«, grüßte Mrs. Pollifax aufgeräumt.
»Guten Tag«, erwiderte der Alte, schob seine Hände in die weiten Ärmel seines Gewands und verbeugte sich leicht.
»Ich möchte Sheng Ti sprechen, bitte«, erklärte Mrs. Pollifax ohne Umschweife.
Das Mädchen sah für einen Augenblick von ihrer Beschäftigung auf und beugte sich dann hastig wieder über die Figürchen. Der Mann - Mr. Feng, wie Mrs. Pollifax annahm schien zu erstarren, doch sein Gesicht verriet keinerlei Regung.
»Wen möchten Sie sprechen?« erkundigte er sich, als hätte er sie nicht verstanden. »Shangchi?«
»Sheng Ti«, wiederholte Mrs. Pollifax ungerührt.
Fengs Augen ließen Mrs. Pollifax keinen Moment lang los, als er halb zu dem Mädchen gewandt mit leiser Stimme sagte: »Du kannst gehen, Lotus.«
Das Mädchen gab Mrs. Pollifax erneut einen neugierigen Blick, ging jedoch wortlos auf eine mit Perlschnüren verhangene Tür zu und verschwand in einem hinter dem Geschäft liegenden Raum. Der Perlvorhang klirrte leise und schloß sich hinter der zierlichen Gestalt des Mädchens.
»Aber hier arbeitet niemand, der Sheng Ti heißt«, erklärte der Alte höflich.
»Herrje!« dachte Mrs. Pollifax. »Das wird schwieriger, als ich angenommen habe.« - »Erzählen Sie mir keinen Blödsinn!« fuhr sie Feng an und schickte ein verbindliches Lächeln nach. »Natürlich arbeitet er hier! Ich weiß das aus zuverlässiger Quelle. Und sollte er tatsächlich nicht mehr hier arbeiten, können Sie mir vielleicht sagen, wo ic h ihn finden kann? Sie müssen wissen...«, fügte sie etwas atemlos hinzu, »...ich bin nur für eine Woche in Hongkong, und ich möchte ihn unbedingt treffen, ehe ich wieder nach Hause fliege. Sie sind Mr. Feng?«
»Wer sagt, daß er hier arbeitet?« fragte der Alte und blinzelte nervös.
Mrs. Pollifax zog die Notiz, die Bishop ihr gegeben hatte, aus der Tasche und las mit lauter Stimme vor:
»Sheng Ti, FengImports , Dragon Alley 31... Sie sind doch Mr. Feng?«
Feng starrte auf das Stück Papier in ihren Händen. »Darf ich das mal sehen, bitte?« Mit verblüffender Schnelligkeit griff er nach der Notiz und entriß sie ihr, ehe sie reagieren oder protestieren konnte.
»Von wem haben Sie das?« fragte er scharf.
»Von einem Freund Sheng Tis.«
»Einem Freund? Einem Freund Sheng Tis?«
Mit einem Mal hatte Mrs. Pollifax den Eindruck, als sei es sehr wichtig, zu betonen, daß Sheng Ti durchaus ein paar Freunde hatte. »Wundert Sie das?« fragte sie herausfordernd.
»Mich wundert nur, daß jemand wie Sie Sheng Ti kennt«, erwiderte Feng gelassen.
»Ich verstehe zwar nicht, was Sie das angeht«, entgegnete Mrs. Pollifax ebenso gelassen, »doch wenn es Sie beruhigt, kann ich Ihnen das gerne erklären: Ich habe ihn in Rotchina kennengelernt. In der Nähe von Turfan, in der Provinz Xinjiang. Unter äußerst dramatischen und für eine amerikanische Touristin sehr aufregenden Umständen übrigens...«
»Sie sprechen Chinesisch?« fragte er interessiert.
»Mein Begleiter sprach ein paar Brocken«, erklärte sie ungeduldig. »Sheng Ti schilderte uns seine verzweifelte Situation und deutete an, er hätte eine Möglichkeit in Aussicht, das Land zu verlassen. Dies war natürlich gegen das Gesetz und für alle Beteiligten überaus gefährlich...« Es gelang ihr, ein dramatisches Zittern in ihre Stimme zu legen. »Ich habe natürlich alles - alles - unternommen, um herauszufinden, was aus ihm geworden ist.« Sie schüttelte erschöpft den Kopf und fügte betrübt hinzu: »Mit anderen Worten: Ich habe unzählige Briefe geschrieben, an sehr viele Türen geklopft und mich nicht abweisen lassen. Und dies gedenke ich auch jetzt nicht zu tun!«
Er reichte ihr die Notiz Bishops. »Es tut mir leid, aber man hat Sie falsch informiert, Mrs. - äh -«
»Pollifax.«
»Mrs. Pollifax. Wir betreiben hier eine Importfirma, und einen Sheng Ti gibt es hier nicht.«
Sie sah ihm geradewegs in die Augen, doch er wich ihrem Blick aus. »Wieso haben Sie dann so viele Fragen gestellt? Ganz offen gesagt, Sir, ich glaube Ihnen nicht.«
Hinter dem Perlvorhang war ein leises Lachen zu hören, und eine Stimme rief belustigt: »Bringen Sie unsere hartnäckige Freundin herein, Feng.«
Fengs Lippen wurden noch schmaler. »Aber ich glaube nicht, daß...«
»Bringen Sie sie herein!« Die unverkennbare Schärfe, die nun in der Stimme mitschwang, schüchterte Feng offenbar ein, denn er erhob sich hastig und winkte Mrs. Pollifax, ihm zu dem Perlvorhang zu
Weitere Kostenlose Bücher