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und der Hongkong-Buddha

und der Hongkong-Buddha

Titel: und der Hongkong-Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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mußte das Ding einfach loswerden. Natürlich interessierte sie auch, wie Ruthie und Mr. Hitchens miteinander zurechtkamen, denn etwas derart Ungewöhnliches, wie das zufällige Sichwiederfinden zweier Menschen - Tausende Kilometer von zu Hause - erregte ihre Neugierde. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammentreffens nach Jahren der Trennung, in einer Hotelhalle auf der anderen Seite der Welt, war nach ihrem Dafürhalten bestenfalls eins zu fünf Millionen, und Mrs. Pollifax war schlichtweg entzückt, Zeuge einer solch rührenden Schicksalsfügung zu sein.
    Offenbar erging es Ruthie nicht anders, denn sie sah an diesem Morgen wesentlich jünger aus, als Mrs. Pollifax sie in Erinnerung hatte - ein Umstand, der sicherlich nicht allein auf die rote Leinenhose, die leuchtend rote Bluse und das rote Halstuch zurückzuführen war, die sie trug. Sie schien gänzlich verwandelt, wie es oft bei Frauen der Fall ist, wenn sie fühlen, daß sie umworben werden. Sie nannte Mr. Hitchens »Hitch«, was Mrs. Pollifax belustigte und wohl auch etwas verwirrte, denn sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, ihn anders als Mr. Hitchens zu nennen. Sie versuchte sich auszumalen, wie er wohl gewesen war, als sich die beiden in der Highschool begegneten, und ein Lächeln umspielte ihren Mund: Mr. Hitchens ohne sein pedantisches Gehabe, dafür jedoch um einige Nuancen schüchterner und mit einem Schuß mehr jungenhafter Abenteuerlust - wie sie bei ihrem gemeinsamen Ausflug in die Neuen Territorien wieder aufgeblitzt war -, fünf Kilo leichter und ohne die grauen Schläfen, war damals sicher ein attraktiver Junge gewesen...
    »Worüber lächeln Sie?« fragte Ruthie und versuchte, den Wind und die Motoren der Barkasse zu überschreien.
Sie hatten auf dem Achterschiff Platz genommen, um vor der Gischt geschützt zu sein, die über den Bug sprühte, als sie zwischen Fischkuttern, Sampans, Vergnügungsbooten, Frachtschiffen und malerischen Dschunken hindurch in den offenen Hafen hinaustuckerten.
Ehe Mrs. Pollifax antworten konnte, rief Mr. Hitchens: »Kaffee? Sie haben soeben die Bar geöffnet.«
»O ja - gern«, erwiderte Mrs. Pollifax, und als er leicht schwankend über das Deck balancierte, sagte sie zu Ruthie gewandt: »Ich habe eben überlegt, wie er wohl damals war, als Sie zusammen in der Highschool waren.«
Ruthie lachte. »Er war ein Bücherwurm und sehr ernst - und er war wohl überzeugt, daß es unmöglich sei, Football und das Interesse für Psychologie unter einen Hut zu bringen...«
»Und Sie haben ihn geliebt.«
Verlegen sah Ruthie sie an und blickte dann schnell zur Seite. »Ja.« Sie zögerte befangen und sagte dann mit gespielter Leichtigkeit: »Glauben Sie, daß... naja, daß man ein erloschenes Feuer wieder entfachen kann?«
Mrs. Pollifax lächelte. »Ich sehe nicht ein, wozu das nötig sein sollte«, erwiderte sie. »Es ist doch interessanter und sehr viel amüsanter, von Neuem zu beginnen.«
»Sie meinen...« Ruthie war betroffen. »Sie meinen, es habe keinen Sinn, alte Geschichten aufzuwärmen, und es sei besser, mit einem anderen von Neuem zu beginnen?«
Mrs. Pollifax berührte ihre Hand. »Ganz und gar nicht. Vorausgesetzt, wir reden von Mrs. Hitchens und Ihnen - und ich wüßte nicht, über wen wir sonst sprächen -, dann glaube ich, daß das, wodurch Sie sich damals zueinander hingezogen fühlten. Sie auch heute noch verbinden kann. Ich wollte nur sagen, daß es ein großer Fehler ist zu glauben, man könnte dort weitermachen, wo man aufgehört hat. Schließlich haben Sie sich beide verändert und sind nicht mehr dieselben wie damals.«
»Was ihn damals zu mir hinzog«, seufzte Ruthie trübsinnig, »war seine Suche nach einer Mutterfigur, meint mein Psychiater. Dieser Phase ist er entwachsen und versuchte dann mit Sophie und Rosalie seine verlorene Jugend nachzuholen.«
Mrs. Pollifax lachte hell auf. »Die typische Lehrbuchinterpretation! Ich glaube eher, daß er bei den beiden zuviel des Guten an jugendhafter Unbekümmertheit gefunden hat und schließlich selbst die Mutter spielen mußte. Die Art, wie er darüber erzählte, erweckte bei mir den Eindruck, daß ihn dies nicht erfüllt und sehr schnell gelangweilt hat. Mit solch jungen Dingern gemeinsame Interessen oder auch nur ein Gesprächsthema zu finden, ist oft sehr schwer, finde ich. Ich zum Beispiel könnte mir absolut nicht vorstellen, mit jemandem zusammenzuleben, der nichts von den Schrecken des KennedyMords mitbekommen hat oder nicht einmal

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