… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
… mir geholfen hat! Aber nun braucht er vielleicht meine Hilfe, um den Frieden zu finden, den er verdient. Verstehst du, was ich sagen will?“
Und ob Elizabeth verstand. Etwas in ihr verkrampfte sich, als würde sich eine eiserne Manschette um ihren Magen schließen. Hielt sie Daniel von einem glücklicheren, sorgenfreieren Ort fern, indem sie ihn in dieser Welt verankerte? Vom Paradies? War sie tatsächlich so selbstsüchtig zu glauben, dass das Zusammensein mit ihr wünschenswerter war als der Himmel?
„Mein Paradies ist, wo du bist“, flüsterte Daniel in ihr Ohr, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Alles andere kann warten.“
Kim erhob sich, nahm Jayne vom Boden auf und setzte sie sich auf die Hüfte. Das kleine Mädchen ließ seufzend den Kopf gegen die Schulter seiner Mutter sinken und gähnte ein weiteres Mal. „Zeit für deinen Mittagsschlaf.“ Während Kim ihre Tochter zur Ledercouch trug, vorsichtig hinlegte und eine karierte Wolldecke über sie ausbreitete, nutzte Elizabeth die Gelegenheit und drehte sich halb zu Daniel um.
Er las den Zweifel in ihrem Blick, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und sah sie eindringlich an. „Liz, was uns auch immer hinter dem Horizont erwartet, es läuft nicht davon. Wenn die Zeit kommt, gehen wir gemeinsam hinüber, hörst du?“ Und mit einem aufmunternden Lächeln: „Wir reden hier doch nur von einem kleinen Aufschub. Nur um die fünfzig Jahre.“ Elizabeth konnte nicht verhindern, dass sich ebenfalls ein winziges Lächeln auf ihr Gesicht stahl. „Okay?“, fragte er, was sie mit einem Nicken bejahte, obwohl noch immer zwiespältige Gefühle an ihr nagten.
Und die Frage, ob Kim eingeweiht werden sollte oder nicht, hatte sich wohl auch erübrigt. Mit der Wahrheit würde man ihr sichtlich keinen Gefallen tun.
„Ich will einen Gutenachtkuss von Onkel Danny“, quäkte es plötzlich von der Couch.
Elizabeth bekam nicht mit, wie Daniel verschwand, nur, wie er vor der Couch wieder erschien und neben seiner Schwester in die Knie ging.
„Onkel Danny ist aber leider nicht hier, mein Schatz“, entgegnete Kim mit tränendicker Stimme und strich Jayne den Pony aus der Stirn.
„Psst.“ Daniel legte einen Zeigefinger an die Lippen. „Wir spielen ein Spiel, Spätzchen. Mami tut so, als wäre ich gar nicht da, verstehst du? So, als könnte sie mich nicht hören und auch nicht sehen. Du darfst auch mitspielen. Wer es am besten macht, hat gewonnen.“
Jayne strahlte ihn an. „Okay.“ Dann schaute sie zu Elizabeth und fragte: „Spielt sie auch mit?“
Kim betrachtete ihre Tochter verdutzt, doch bevor sie nachfragen konnte, was das Mädchen meinte, sagte Elizabeth schnell: „Klar, kleine Lady. Wenn du ausgeschlafen hast, spielen wir zusammen.“
„Liz ist der Schiedsrichter“, erklärte Daniel, während Kim befremdet zwischen Jayne und Elizabeth hin und her sah. „Und das Spiel startet … jetzt. Ab jetzt tust du so, als wäre ich nicht hier, in Ordnung?” Er beugte sich über das Mädchen und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut, Spätzchen.“ Stirnrunzelnd rieb Jayne mit einer Hand über die Stelle, wo Daniels Lippen sie berührt hatten.
Mit einem tiefen Seufzen setzte sich Kim neben ihre Tochter auf das Sofa und wandte sich den Papieren zu, die sich auf dem niedrigen, weiß gebeizten Couchtisch stapelten. „Ich kann diesen verdammten Mietvertrag für die Wohnung einfach nicht finden.“
„Arbeitszimmer. Blaues Hängeregister im Rollcontainer“, sagte Daniel leise.
„Ähm, wenn du möchtest, kann ich dir beim Suchen helfe, Kim“, bot Elizabeth an, heilfroh über die Gelegenheit, endlich ein paar Minuten mit Daniel alleine zu sein. „Man hat mir mal gesagt, ich hätte eine ziemlich gute Spürnase.“
-2-
Daniel ging voraus ins Arbeitszimmer, auf dem Fuß gefolgt von Elizabeth. Nachdem sie die Tür hinter sich angelehnt hatte, ließ sie sich in den gepolsterten Bürostuhl aus hellbraunem Kunstleder fallen und drehte sich zu Daniel, der auf der Schreibtischkante saß.
„Ich glaube, ich weiß jetzt, wann genau Jayne mich sehen kann“, grinste er.
„Ach ja? Klär mich auf.“
„Immer, wenn sie sehr müde ist. Ich denke, ihr Gehirn ist dann in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, der sie für Paranormales empfänglich macht.“
„Klingt plausibel. Schade, dass sie die Fähigkeit wohl irgendwann … verlieren … wird.“ Elizabeths Stimme triftete ab, denn sie hatte über Daniels Schulter hinweg ein Foto an
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