und der tanzende Derwisch
schönes Gefühl, mit jemand Nettem sprechen zu können. Endlich wurde sie wieder als Mensch behandelt, und seine Freundlichkeit rührte sie. »Es ist wirklich sehr hübsch«, sagte sie und strahlte ihn an. »Wären Sie vielleicht auch noch so nett und geben mir einen Tip, wieviel ich dafür bieten soll?«
»Versuchen Sie es mit fünfunddreißig Dirham.«
»O je, wieviel ist das in Dollar? Wissen Sie das zufällig?«
»Hm, ein Dirham ist etwa zwanzig Cent. Also ungefähr sieben Dollar.«
»Das ist nicht viel!« staunte sie. Die Gelegenheit nutzend, rief sie dem Ladeneigentümer zu: »Ich gebe Ihnen fünfunddreißig Dirham, einverstanden?«
Der Mann hinter dem Ladentisch blickte den Blauäugigen mit sanftem Tadel an und zuckte theatralisch die Schultern. »Oui ja. Fünfunddreißig Dirham.«
»Sehen Sie?« sagte ihr neuer Freund, und fügte hinzu: »Machen Sie eine Tour? Hat man Ihnen schon von Er Rachidia erzählt? Man nennt die Bewohner hier das Schreinvolk, die Abkommen von Ali. Es ist ein ganz besonderer Ort.«
»Auch das wußte ich nicht«, gab sie lächelnd zu und kramte in ihren Münzen. »Ist das ein Dirham?«
»Ja - nein, nicht der, die größeren. Aber es sind nicht genug. Haben Sie Scheine? Ah ja, das sind fünfunddreißig Dirham.«
»Was heißt ›danke‹ auf arabisch?« erkundigte sie sich.
»Schukran.«
Sie nickte. »Dann bedanke ich mich bei Ihnen und sage ›schukran‹ zu ihm.« Der Ladenbesitzer nahm die Scheine, wickelte die Koranschatulle in Zeitungspapier, band eine Schnur herum und überreichte sie ihr.
»Schukran«, sagte sie lächelnd. »Sie lernen unsere Sprache!« rief er erfreut.
Mrs. Pollifax winkte dem Mann mit den blauen Augen zum Abschied zu, eilte aus dem Laden, und als sie zum Café schaute, sah sie Janko ungeduldig neben dem Wagen stehen. Aber sie kehrte zufrieden zurück; immerhin hatte sie mit zwei Einheimischen gesprochen, hatte eine Beziehung zu diesem Land gefunden, und vielleicht erwies sich diese Reise doch nicht als ganz so trostlos. Ihre Zufriedenheit wurde jedoch bald vertrieben. Janko war sichtlich wütend. »Wir haben noch hundert Kilometer vor uns!« sagte er verärgert. »Und Sie halten uns auf, genau wie ich vorhergesehen hatte. Muß ich Sie daran erinnern, daß wir die Reise nicht machen, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen oder Einkäufe zu machen?«
Als sie ihn lediglich erschrocken über seinen Ton anstarrte, streckte er die Hand aus und sagte: »Ich will jetzt alle Fotografien sehen. Sie haben sich lange genug kindisch benommen.«
Sie preßte die Lippen zusammen, ehe sie entgegnete: »Kindisch? Mr. Janko, ich denke gar nicht daran, mir von Ihnen alles bieten zu lassen, und ich kann Ihnen nur sagen, daß ich überkochen werde, wenn Sie sich noch weiter so aufführen; es hat sich schon genug Wut in mir über Ihre Einstellung und Ihre Ihre Habgier nach diesen Bildern angestaut. Was eine sehr schöne Reise durch Marokko sein könnte, wird durch Ihr Benehmen zu einem höchst unerfreulichen Ereignis.«
»Jetzt beweisen Sie Ihre Naivität und Unerfahrenheit«, sagte er kühl. »Agenten lernen bei der Ausbildung, nie ihre Gefühle zu zeigen. Und Sie haben bereits Ihre Beherrschung verloren.«
»Im Gegenteil«, erwiderte sie. »Sie müssen erst erleben, wenn ich sie verliere!«
»Ich lege keinen Wert darauf«, schnaubte er und öffnete die Wagentür für sie. »Steigen Sie ein, wir haben schon zu viel Zeit vergeudet.« Ohne die Fotografien noch einmal zu fordern, setzte er sich hinter das Lenkrad und ließ den Wagen anspringen.
Jetzt werfen wir uns schon Beleidigungen an den Kopf, dachte sie erbittert und schwieg. Als sie zum Café zurückblickte, sah sie, daß Ibrahim gerade ihren Tisch abräumte; als er den Motor hörte, blickte er auf, sah sie und winkte. Sie winkte ebenfalls und dachte: Wenn ich nur hin und wieder einmal Menschen wie Ibrahim und dem Blauäugigen begegne, wird Jankos Gesellschaft vielleicht erträglich. Aber sie wußte, daß sie eine der vernichtendsten Arten von Einsamkeit erlebte: sich in unmittelbarer Nähe einer Person aufzuhalten, für die sie ein Nichts war und die sie damit zur Unsichtbarkeit und Bedeutungslosigkeit verdammte. Während Janko aufs Gas trat, hörte sie durch das offene Wagenfenster die ferne Stimme des Muezzins, dessen auf-und abschwellender Ruf die Gläubigen zum Gebet aufforderte Allah Akbar! Allah Akbar! -, und dann fuhr der Wagen räderquietsche nd auf die P21, die sie nach Erfoud bringen würde. Mrs. Pollifax war froh, daß
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