und der tanzende Derwisch
spürte, wie er näher kam und vermutete, daß er sich vorsichtig auf dem Boden heranarbeitete. Die Vorstellung, daß er sich auf Händen und Knien vorantastete, erschien ihr plötzlich so komisch, daß sie ein Lachen unterdrücken mußte. Gleich darauf hörte sie, wie seine Finger ihre Tasche erreichten und sie vorsichtig öffneten, und da sie die Augen nicht ganz geschlossen hatte, sah sie den Lichtstrahl, als er sie durchsuchte.
Genug! beschloß sie. Sie drehte sich mit den passenden Geräuschen um, hustete leicht und drehte sich wieder zurück.
Sie hatte ihn erschreckt und spürte das Bett vibrieren, als sein Kopf gegen den Rahmen prallte, nachdem er ihn offenbar zu abrupt gehoben hatte. Ein unterdrücktes Keuchen folgte, dann Stille, als er reglos lauschend abwartete. Nachdem er überzeugt war, daß sie nichts gehört hatte und noch schlief, stand er auf und schlich auf Zehenspitzen zur Tür; einen Augenblick später öffnete er sie und schloß sie fast lautlos hinter sich. Es war vorbei.
Sofort stand sie auf, war hellwach und brauchte auch nicht mehr vorzutäuschen, daß sie schlief. Sie war empört über diese nächtliche Invasion. Sie langte nach ihrer eigenen winzigen Taschenlampe, tastete sich zu der Flasche Mineralwasser auf dem Wandbrett und goß sich ein Glas voll. Sie blieb im Dunkeln stehen, nippte daran und überlegte. Ihr Zorn wuchs, als sie daran dachte, wie besessen er nach den Fotografien sein mußte, daß er sie zu stehlen versuchte, während sie schlief.
Doch ihr wurde auch bewußt - und jetzt erst —, daß sich Janko nicht völlig erfolglos davongeschlichen hatte: Er wußte nun, daß sie die Fotografien weder in ihren Reisetaschen, noch in der Handtasche aufbewahrte, und sie sie infolgedessen am Körper tragen mußte. Und das war mein Fehler, dachte sie. Ich hätte schon eher im Schlaf murmeln sollen, bevor er meine Handtasche erreichte, auf jeden Fall aber, bevor er sie ganz durchstöbert hatte. Nun, da er das wußte, war die Frage, was er als nächstes tun würde, um die Fotos an sich zu bringen. Aber was sie am meisten beschäftigte, war, warum er so versessen auf die Bilder war. Da waren natürlich sein ungeheurer Eigendünkel und sein Ärger darüber, daß man diese Frau mitgeschickt hatte ... Aber genügte das, sein Eindringen heute nacht zu erklären? Sie wagte nicht, das Licht einzuschalten, da es durch die Vorhänge zu sehen wäre, so öffnete sie ihre blaue Reisetasche, leuchtete mit dem Lämpchen hinein und holte ein Buch heraus. Sie wollte noch ein bißchen lesen, wenn auch nur in dem dünnen Lichtstrahl, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. Als sie zum Bett zurückkehrte, fiel dieser dünne Lichtstrahl auf etwas Kleines, Pelziges vor dem Bett, gleich neben der Handtasche. Sie fuhr zurück und unterdrückte eine n Aufschrei.
Doch das pelzige Ding rührte sich nicht, es huschte nicht davon, als sie näher kam, und nachdem sie sich vorsichtig davorgekniet hatte, erkannte sie, daß es gar kein Tierchen war. Es lag leblos da, schwarz und klein. Verwirrt hob sie es auf und stellte fest, daß es gar kein Fell, sondern ein Büschel Haare war.
Verblüfft trug sie es ins Badezimmer, schloß die Tür hinter sich und riskierte es, das schwache Deckenlicht einzuschalten. Das Ding in ihrer Hand war nicht ganz vier Zentimeter lang und etwa zweieinhalb Zentimeter breit; das Haar war schwarz und dicht und an einem Stückchen steifem Stoff befestigt, an dem Reste von Klebstoff hafteten. Die Erkenntnis, was das sein mußte, verblüffte sie sehr. Sie hatte die Hälfte eines Schnurrbarts in der Hand! Er mußte sich gelöst haben, als Janko den Kopf am Bett angestoßen hatte.
Sie reagierte rasch. Sie drehte das Badezimmerlicht aus, kehrte zum Bett zurück und ließ Jankos Schnurrbarthälfte auf den Boden fallen, als wäre es eine tickende Zeitbombe -, und etwas Ähnliches war Janko ja auch wohl, sagte sie sich, als sie sich auf das Bett setzte, um ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen und zu ordnen und um sich klarzuwerden, was das bedeutete. Die Schlußfolgerung erschien ihr sehr ernst. Ihr erster Gedanke war: Er darf nicht wissen, daß ich ihn gesehen habe; ihr zweiter: Wann wird er zurückkommen, um sich den Schnurrbart zu holen? Und der dritte, den sie allzugern vermieden hätte, war der erschreckendste: Wenn Jankos Schnurrbart falsch ist, was ist dann sonst noch falsch an ihm? Wenn der Schnurrbart falsch war, waren es dann auch diese lächerlich buschigen Augenbrauen? Und wohin führten sie
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