und der tote Richter
Abendessen?«
»Prima. Ich bin im Haynes. Wir treffen uns um halb acht an der Hotelbar.«
Sie legte wieder auf und sah sich um. Die Musselin-Gardinen am Fenster bauschten sich und verhinderten, dass Sauerstoff hineingelangen konnte. Sie hätte ins Hilton oder ein anderes amerikanisches Hotel gehen sollen, in dem es Klimaanlagen gab. Das Haynes war klein und altmodisch, wie ein Landhaus inmitten von Mayfair. Der Service war hervorragend, aber es war ein sehr englisches Hotel, und sehr englische Hotels waren nun mal nicht für heiße Sommer gerüstet.
Da ihr nichts anderes einfiel, beschloss sie, zur Quicherie zu fahren und Mr. Economides zu besuchen. Die Straßen waren verstopft wie immer, und nirgends war ein Taxi in Sicht, also ging sie von Mayfair die Knightsbridge entlang zur Sloane Street, hinunter zum Sloane Square und weiter über die King’s Road nach World’s End.
Mr. Economides begrüßte sie eher reserviert. Doch Agatha hatte erwartet, als Freundin empfangen zu werden, und wollte nett sein, was ihr früher ferngelegen hätte. In der Quicherie war nichts los, also hatte der Besitzer noch Zeit, ehe die Mittagsgäste eintrafen, die dann Schlange standen, um sich Quiche und Kaffee fürs Büro zu holen. Agatha fragte Mr. Economides nach seiner Frau und den Kindern, und er begann, sich merklich zu entspannen. Er bat sie, an einem der kleinen Marmortische Platz zu nehmen, brachte ihr einen Kaffee und setzte sich zu ihr.
»Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Ihnen solchen Ärger gemacht habe«, sagte Agatha. »Hätte ich mir nicht in den Kopf gesetzt, diesen Dorfwettbewerb zu gewinnen, und Ihre Quiche als meine eingereicht, wäre uns allen viel erspart geblieben.«
Plötzlich holte sie noch einmal die Erinnerung an John Cartwrights Überfall ein, und ihr kamen die Tränen.
»Na, na, Mrs. Raisin«, sagte Mr. Economides. »Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Ich schummle auch.«
Agatha tupfte sich die Augen trocken. »Sie? Wie das denn?«
»Na ja, ich habe doch das Schild draußen, auf dem steht ›frisch im Laden zubereitet‹. Aber ich fahre am Wochenende oft zu meinem Cousin nach Devon. Er hat einen Delikatessenladen, genau wie ich. Tja, und manchmal, wenn ich erst spät am Sonntagabend nach Hause fahre und nicht gleich früh am Montag wieder losbacken will, bringe ich mir Quiches mit, die er übrig hat. Er macht es genauso, wenn er hier ist. Das funktioniert ganz gut, denn er macht vor allem am Wochenende gute Geschäfte mit den Touristen, und ich verdiene eher unter der Woche, wenn die Leute aus den Büros zu mir kommen. Die Quiche, die Sie gekauft haben, war von meinem Cousin.«
»Haben Sie das der Polizei gesagt?«, fragte Agatha. Der Grieche wirkte entsetzt. »Nein! Ich wollte doch meinem Cousin nicht die Polizei auf den Hals hetzen.«
Agatha begriff zunächst gar nicht, was genau er meinte, aber der sehr ernste Blick von Mr. Economides brachte sie ins Grübeln. Und schließlich ging ihr ein Licht auf. »Haben Sie Angst vor der Einwanderungsbehörde?«
Er nickte. »Der Mann der Tochter meines Cousins hat nurein Touristenvisum. Sie haben griechisch-orthodox geheiratet, aber noch nicht auf dem Standesamt. Und er arbeitet bei meinem Cousin ohne Arbeitsgenehmigung, deshalb …« Er zuckte mit den Schultern.
Agatha wusste nichts über Arbeitserlaubnisse, aber sie hatte Erfahrungen mit ausländischen Models, die geradezu paranoid waren, dass sie ausgewiesen werden könnten. »Dann ist es ja umso besser, dass Mrs. Cummings-Browne keine Anzeige erstattet hat«, sagte sie.
Er senkte den Blick. Als gleich darauf zwei Kunden den Laden betraten, verabschiedete er sich und hastete hinter den Tresen.
Agatha trank ihren Kaffee aus und machte sich auf einen Streifzug durch ihr altes Viertel. Nach einem kleinen Mittagessen entschied sie, dass ein klimatisiertes Kino der beste Ort war, um dort den Nachmittag zu verbringen. Eine leise Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie sich auf die Suche nach einer Wohnung und Büroräumen machen sollte, wenn sie nach London zurückwollte, doch Agatha verdrängte sie. Dazu blieb noch genügend Zeit, und außerdem war es viel zu heiß. Sie kaufte sich einen Evening Standard und entdeckte, dass eines der Kinos am Leicester Square Disneys Das Dschungelbuch zeigte. Dort ging sie hin, genoss den Film und freute sich auf das spätere Wiedersehen mit Roy. Sie war sicher, dass er begeistert wäre, wenn er von ihren Plänen hörte.
Um halb acht stieg sie die Treppe
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