und der tote Richter
Tante von ihr gestorben ist und ihr ein größeres Cottage in Ancombe hinterlassen hat.«
»Ja, das stimmt«, sagte Doris Simpson, deren Hand schon wieder über dem Staubsaugerschalter schwebte.
»Haben Sie nicht Lust, nach unten in die Küche zu kommen und eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken, Doris?«
»Agatha, ich habe zu viel zu tun.«
»Dann machen Sie eben weniger. Ich habe immer noch den Schreck zu verdauen und möchte reden«, entgegnete Agatha.
»Aber ich wollte heute die Fenster putzen.«
»Dazu ist es viel zu heiß. Ich bestelle einen Fensterputzer.«
»Na dann, meinetwegen«, sagte Doris wenig begeistert.
Kaum zu glauben, dass man heutzutage eine Putzfrau anflehen muss, ihre Arbeit zu unterbrechen!, dachte Agatha.
Sobald sie in der Küche saßen und Agatha ihnen beiden Kaffee eingeschenkt hatte, sagte sie: »Jetzt erzählen Sie mir von Mrs. Barr.«
»Was soll es von der zu erzählen geben?«
»Jemand im Pub erwähnte etwas darüber, dass sie sich lächerlich gemacht hätte, und dann äffte er sie nach, wie sie ›Reg, Reg, küss mich‹ bettelte.«
»Ah, das!«
»Ah, was, Doris? Ich sterbe vor Neugier.«
»Neugier hat noch keinem gutgetan«, sagte Doris vorwurfsvoll. »Nun, drüben in Campden war so ein junger Bursche, der ein Theaterstück geschrieben hat, ein eher altmodisches, Sie wissen schon, wo die Schauspieler lange Zigarettenspitzen in den Fingern halten und wie in alten englischen Filmen reden. Jedenfalls fand Vera Cummings-Browne ihn ganz toll und hat die Laienspielgruppe überredet, dass sie sein Werkaufführen. In dem Stück denkt ein älteres Paar darüber nach, wie verliebt es früher mal war. So stand es auf jeden Fall im Programm. Und Mrs. Barr und Mr. Cummings-Browne spielten das Paar. Die Aufführung war furchtbar langweilig. Wie auch immer, sie sollten auf einem Kreuzfahrtschiff sein und hockten auf Liegestühlen mit ihren Reise-Plaids auf den Knien und sagten Sachen wie, ›Weißt du noch, Liebling?‹«
»Hört sich ein bisschen nach Noel Coward an?«
»Kann sein, weiß ich nicht. Also, auf einmal dreht sich Mrs. Barr zu ihm und sagt, ›Reg, Reg, küss mich‹. Na ja, das stand wohl gar nicht so im Drehbuch, und vor allem hieß Mr. Cummings-Browne in dem Stück ja Ralph und nicht Reg. Er hat irgendwas gemurmelt, da warf sie sich schon auf ihn, dass sie beide mit seinem Liegestuhl umgekippt sind, und wir alle mussten lachen, weil wir dachten, dass es die erste lustige Stelle in dem Stück war. Aber dann fing der Autor an zu schreien und wollte auf die Bühne klettern, und Mrs. Cummings-Browne schloss den Vorhang. Wir konnten hören, wie sie sich hinter der Bühne schrecklich stritten, und dann ist Mrs. Cummings-Browne vor den Vorhang getreten und hat gesagt, dass sie die Vorstellung abbrechen müssen.«
»Demnach muss Mrs. Barr ein Verhältnis mit Cummings-Browne gehabt haben.«
»Ehrlich gesagt habe ich mich oft gefragt, ob er überhaupt mit irgendeiner mehr gemacht hat als ein bisschen Küssen und Drücken. Ich meine, Ella Cartwright zum Beispiel mag aussehen wie ein Flittchen, aber in Wahrheit ist sie bloß scharf auf Geld fürs Bingo. Kann ich jetzt weiterarbeiten?«
Die Sicherheitsfirma kam, und Agatha bezahlte eine atemberaubende Summe, noch bevor die Männer ihr alle erdenklichen Strahler, Sensoren und Alarmauslöser installiert hatten.
»Das wird hier ja wie Fort Knox«, grummelte Doris.
Agatha setzte sich hinaus in den Garten, um den Handwerkern nicht im Weg zu sein, doch die Sonne brannte viel zu heiß. In den Cotswolds war die Luft ohnehin oft drückend, und an solchen Tagen schien sie überhaupt keinen Sauerstoff mehr zu enthalten. Trotz der fleißigen Doris und der vielen Männer, die im Haus herumwuselten, kam sich Agatha wie eine Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel vor. Dennoch wollte sie nichts übereilen, entschied sie, während sie ihren Stuhl in den Schatten trug. Zunächst einmal würde sie abwarten, wie schnell und zu welchem Preis Mrs. Barr ihr Cottage verkaufen konnte. Und sollte der Preis stimmen, würde auch Agatha ihr Cottage zum Verkauf anbieten. Danach würde sie zurück nach London ziehen und ihre Werbeagentur wieder aufmachen. Sie könnte versuchen, Roy von Pedmans abzuwerben, denn er machte sich eigentlich ganz gut.
Obwohl es in den Nachrichten hieß, in London würde der Teer auf den Straßen schmelzen, sah Agatha die Stadt vor ihrem inneren Auge unter einem regnerischen Himmel mit feucht glänzendem Pflaster, in dem sich die
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