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Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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Kleider aus schwarzem Sackleinen und darüber saubere weiße Baumwollkittel. Ihre klobigen schwarzen fersenfreien Schuhe glichen Holzpantinen, jedenfalls wurden sie vorne breiter und machten das Gehen zu einem langsamen steifen Schlurfen. Alle diese Frauen trugen ihr langes Haar zu einem grausamen Knoten oder »Dutt« eingerollt, der – damit die reinlichen Ohren zu sehen blieben – mit zwei oder drei Nadeln aus Zuckerrohr festgesteckt war. Bedeckt war der Dutt, ähnlich befestigt, mit einem Stück handgestickter Spitze. So stramm saß der Dutt, daß die straff am Haaransatz nach hinten gezerrte Haut die Züge dieser Frauen wie eine zerschrumpelte Maske zu spannen schien. Ihre gewaschenen Wangen glänzten. Ihre Fingernägel waren bis ins Fleisch beschnitten. Viele hielten lädierte Madonnenlilien in den Händen, die sie von den Lilienbeeten vor dem Be thaus gepflückt hatten. Die spitzen gelben Zungen der Blumen schoben sich aus den fetten Lippenfalten und standen golden vor all dem jungfräulichen Weiß der Kittel und Blütenblätter.
    Die Mannsleute trugen Hosen und Jacken, alle aus dem gleichen groben schwarzen Tuch geschneidert, und dazu sauber und weiß gekochte, mächtig gestärkte Hemden ohne Kragen. Jeder Mann hielt einen Strohhut mit breiter flacher Krempe auf dem Schoß, es sei denn, er gehörte zu den älteren Mitgliedern der Gesellschaft, deren Hüte zwar ähnlich geschnitten, aber aus steifem schwarzem Filz hergestellt waren.
    Für diese gedrückte Versammlung war die Katharsis vorüber. Fünf fieberhafte Tage und Nächte lang hatte sich auf den Straßen von Ukulore in hundert Pfützenaugen widergespiegelt, wie die sackleinenen Gestalten der Ukuliten, huschenden Schatten von Fledermäusen und Vögeln gleich, in morbidem Kniefall ihren Gott um Gnade anflehten.
    Zeiten des Todes oder solch verheerender Katastrophen wie dieser schienen den ukulitischen Frauen ein unwiderstehlicher Anreiz zum dramatischen Ausdruck.
    Verborgen hinter Regenschleiern, hatten sie sich nächtelang wehklagend im Schlamm gewälzt und sich in einer Orgie der Selbstbefleckung mit furchterregender Hemmungslosigkeit gezüchtigt. Barfuß, die Sackkleider zerfetzt und durchweicht, schwarze Schleier vorm Gesicht – die in den Paroxysmen der Buße meist fortgeschleudert wurden –, rissen die ukulitischen Frauen sich die Haare aus, schlugen ihre Brüste mit Steinen, krochen auf blutenden Knien durch die Straßen und läuterten ihre Körper mit Nesselruten und Desinfektions- und Reizmitteln.
    Bis in die frühen Morgenstunden hatten sie ihre unheimlichen Sühneriten vollzogen, allesamt in einem wahren Rausch aus Schmerzen, jede einzelne ein Klump von Krämpfen, und jede einzelne kasteite sich erbarmungslos und mit einer Selbstverleugnung, die ebenso entschlossen war wie das Unwetter, denn dies war der Tribut, der von der kollektiven Scham gefordert wurde.
    Aber trotz aller morbiden Bußübungen hörte der Wolkenbruch nicht auf.
    Schwer hing die Luft und hallte von erschöpften Opfergaben und kriecherischen Bußwerken, die jedoch alle von der polternden Wolke zurückgeschleudert wurden wie zu kleine Fische.
    Und unterdessen fiel der Regen immer weiter, Pfützen verliefen ineinander und formten Seen, die – selbst im Halblicht des jungen Tages – so dunkel waren, daß sie aussahen wie Teiche aus Tinte, und immer wieder täuschten fortgeworfene Schleier den Blick, die verloren auf dem Boden lagen wie Pfützen.
     
    Die Sakristeitür ging auf, und Sardus Swift trat in die Kapelle. Hager und gebeugt, seine Augen starrten fischkalt aus den Höhlen.
    Die Stimmung der Gemeinde schien noch tiefer zu sinken, als er im Schein der Kerzen daherschritt; die Leute sahen in der gekrümmten Gestalt, die vor dem Altar ihren Kniefall machte, sämtliche gemeinen Zweifel, die so offenbar in ihren Herzen wohnten.
    Sardus tippelte zu der Mahagonikanzel. Der Regen marterte das Bethaus mit Dröhnen und Krachen. Er hob die Stimme und flehte seinen Herrn an, doch seine Worte gingen im unnachgiebigen Trommeln des Regens unter.
    Von oben tropfte Wasser auf sie herab.
III
    Die folgenden Zahlen geben Auskunft über die Zuckerproduktion in Ukulore Valley zu Anfang der vierziger Jahre.
     
     
IV
    Unten ist ein Blatt.
    Ich hab es aus einem Buch – halb Inventar, halb Tagebuch.
    Und es gehörte Pa und war ein Geheimnis.
    Es umfaßte die Jahre von 1937 bis 1940.
     
    ERSTER TAG IM JUNI 1940
    Hauptfang. ABBRENNEN …. NTE REIHE OST
     
    SACKFALLEN
    50 Ratten

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