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Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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meines Körpers verseuchte – o ja. Ich verströmte einen todbringenden Katarrh – schwarzen Geifer, Pest und Verderben.
    Der Haß machte mich schlecht. Ich war ein Monstrum. Ich war ein Teufel, tödlicher als eine Klapperschlange, und als die Sau schlief, schlug die Schlange zu! Hört nur. Einmal, als Dero Drecksstück hingestreckt auf ihrem Sessel lag, glitt ich an sie ran und praktizierte mehrere Mundvoll warmen morbiden Speichels in ihre Flasche. Dann verließ ich das Haus, wobei ich mit lautem Türenschlagen dafür sorgte, daß Dero Oberschlampe aufwachte. Ich schlich um die Südwand, zog den Zapfen aus dem Guckloch und spähte hindurch – und mein kleines schwarzes Herz hüpfte vor teuflischem Vergnügen in seinem Käfig.
    Ich beobachtete, wie sie den tödlichen Trunk mit einem langen Zug runterkippte. Mein Blick wurde kalt. Sie rülpste unheildrohend, schloß aufs neue die Augen und begann zu schnarchen. Eine Minute verging, und mir wurde so schlecht, daß mir der Schweiß ausbrach. Mein Mund füllte sich mit fauligem ätzendem Schleim.
    Ich rammte den Zapfen ins Loch zurück und fauchte.
    Die Sau war immun.
    Schlotternd vor Angst spie ich nach meinem Schatten und sah dann links von mir ein Zwiebelgrün welken und eingehen.
    Selbstverständlich hab ich das Zimmer nie betreten, bis Ma und Pa beide tot und begraben waren. Aber auch so hat Der Vixo lange meine Gedanken beherrscht und die späteren Jahre vergewaltigt.
V
    Manchmal saß ich im fragwürdigen Schutz der Veranda und sah den Fahrzeugen zu, die in langer Prozession – unterm Vorhang des Regens, bis tief in die Nacht – Hooper’s Hill hinauf- und hinabfuhren.
    Manchmal griff ich mir ein bestimmtes Fahrzeug heraus und beobachtete, wie es den Hurenhügel hinabkroch, verfolgte mit meinem Blick die hellen Fächer seiner Scheinwerferlichter bis hin zum ehelichen Nest des gesichtslosen Fahrers.
    Oft sah ich die Autolichter nachglühen, wie das glimmende Gekritzel eines Leuchtkäfers auf dem Gesicht der Nacht, wie eine goldene Kette, die Hurentum und Ehestand – wie zwei massive Bleikugeln – miteinander verknüpfte und an die Schienbeine des treulosen Ehebrechers fesselte, der die Gegenwart des einen nie ohne die zerrende Last des anderen empfinden konnte.
    Doch als der Regen im Lauf der Monate nicht lockerließ und Saisonarbeiter und Festangestellte gleichermaßen das verheerte Tal zu verlassen begannen, wurde die Prozession den Hurenhügel hinauf und hinab allmählich dünner.
    Dennoch blieb der kleine rosa Wohnwagen auf dem Hügel stehen wie ein Valentinsgruß.
    Eine Zeitlang.
VI
    Das böse Jahr 1941 dankte endlich ab und hinterließ als seinen Nachfolger ein schwarzes Ungeheuer. Ein finsteres Jahr war 1942, und so sehr es auch von Verstopfung gequält wurde, pißte es einen dunklen steinigen Strom ins Tal, als sei dies sein Nachttopf.
    Die Sintflut tobte und wütete nicht mehr ganz so wie zu Anfang, aber noch längst nicht war der Fluch vom Tal genommen. Den Einwohnern kam Gott wie ein Maultier vor, das sich nicht vom Fleck bewegen ließ: ein Hund, der keinem einen Bissen gönnte. Die bittere graue Flut des Zweiten Jahrs tauchte das Tal und seine Bewohner in einen Sumpf stumpfer Verdrossenheit.
    Die Straßen waren fast unbelebt, die Laternen ständig eingeschaltet; denn trübe waren die Tage und pechschwarz die Nächte.
    Die Stadt brach zusammen. Manches vermoderte. Anderes quoll auf.
    Einiges blieb stecken, anderes versank. Manches wurde welk, und manches schrumpfte.
    Das Zweite Jahr sah Furcht und Schrecken zunehmen, Apathie verschloß den Leuten Augen und Ohren und wuchs wie Schimmel auf ihren Zungen. Kräftige Männer verfielen in eine Trägheit, die sie immer länger nicht mehr aus den Betten steigen ließ. Frauen saßen an Fenstern, versunken in andere Welten. Einige trugen die Narben der Zurückweisung in ihren Herzen, andere auf ihren Gesichtern. Manche waren fett von ausgeteilten Gnaden, manche abgezehrt von empfangenen Gnaden.
    Trunksucht. Selbstbefleckung. Völlerei. Faulheit.
    In manche Häuser zog der Wahnsinn als Mieter ein.
     
    An einem nassen schaurigen Abend geschah es, daß Rebecca Swift, Sardus’ junge aber zerstreute Frau, in ihrem Kopf ein Klopfen hörte – zu laut diesmal, um es unbeachtet zu lassen –, und mit bebendem Herzen und winzigen zitternden Händen zog sie den großen schwarzen Riegel ein kleines Stück zurück und ließ den Mieter ein.
    Rebecca war einer vernichtenden Melancholie verfallen, die nach Belieben an

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