Und die Eselin sah den Engel
sich, es zu empfangen.
Vom hinteren Hof erscholl Mules groteskes Schreien, mischte sich in das peitschende Getrommel der Luft und schwoll jetzt mit jedem krachenden Schlag lauter an, so daß Luft und Maultier zusammen einen fürchterlichen Lärm machten.
Dicht an der Wand lang rannte ich um die Hütte. Das heißt, stets argwöhnisch bei solchem Aufruhr, warf ich erst einen raschen Blick um die Ecke, nur für den Fall, daß Pa mal wieder Mule mit einer »ordentlichen Tracht Prügel« die Meinung sagte. Aber das tat er nicht.
Irgend etwas hatte Mule erschreckt – und wie –, er war verrückter, als ich ihn je erlebt hatte – schrie und bockte, schmiß die Vorderbeine in den Himmel und zerrte an der Kette, die ihn an dem Pfosten festhielt. Und immer wieder ließ er einen unheilvollen Huf gegen eine rußige Bratpfanne krachen, die an einem am Dach befestigten Drahthaken schwang.
Der Himmel zog sich zusammen, und meine Kopfhaut auch. Er glich jetzt einer riesigen Membrane, die sich wie abgeschälte Haut über das Tal spannte und so ein Dach bildet, von dem das gestopfte Licht eingesiegelt wurde. Er war durchzogen von einem engen Flechtwerk anschwellender Adern, die fast zum Platzen gefüllt waren mit brausendem Blut.
Die Bratpfanne erhob ein letztesmal scheppernd Einspruch und flog vom Haken in die tosende Luft, landete zu meinen Füßen und drehte sich wie ein Kreisel auf der Stelle, zog mit ihrem langen krummen Griff einen fast perfekten Kreis in den Staub um sich herum, als beanspruchte sie das so bezeichnete Gebiet als ihr Eigentum. Dunkel starrte mir die Pfanne ins Gesicht.
Plötzlich wurde Mule ganz steif und stumm, wie erstarrt. Die Wolken roten Staubs verschlangen das Tier, sanken dann herab und legten sich als Schleier um seine Füße. Wir starrten einander an. Mule sah aus wie in Blei gegossen, drapiert mit sinkenden roten Schleiern. Angst überkroch ihn und thronte königlich in allen Falten seines Gesichts. Seine Lippen wölbten sich zurück und enthüllten riesige gelbe Zähne. Er schäumte. Er geiferte. Seine wahnsinnigen Augen quollen aus ihren Höhlen, als wären es Eier, die er legen wollte. Und sein stierer Blick war beängstigend über meine Schulter gerichtet – auf das, was da kam.
Das Pochen hatte aufgehört. Der Puls. Nichts war mehr zu hören, kein Geräusch, als ob jetzt unter dem sich ausbreitenden Halbschatten das ganze Tal den Atem anhielt.
Ma und Pa standen auf der Veranda – sprachlos den Blick nach Süden gerichtet. Ma, ernüchtert von dem Anblick, hielt schlaff die Flasche in der Hand. Pa neben ihr stand wie vom Donner gerührt – nun endlich waren die beiden durch ein gemeinsames Band verbunden, von den Fesseln des Entsetzens aneinandergekettet. Gebannt vom unsäglichen Schrecken dessen, was da kam, standen sie versteinert – wie zwei schmutzige Salzsäulen.
Und ich will euch was sagen – hätte damals jemand hinter mir gestanden und mit einem Schlachtbeil nach mir ausgeholt, würde ich mir auch nicht wehrloser vorgekommen sein. Und hätte ich mitten in der Löwengrube gekniet, oder hätte mein Schädel zwischen Hammer und stählernem Amboß gelegen – ich hätte mich nicht bedrohter fühlen können als in diesem Augenblick, da ich dem, was da kam – so unheilvoll kam – noch den Rücken zugewandt hatte – diesem eisig hauchenden Untier.
Ich weiß, was Angst ist, aber glaubt mir, an diesem Tag, dem ersten Tag des Sommers 1941, hatte ich – nun – sagen wir mal so, hatte ich die Hosen gestrichen voll vor Angst. Ja, ich zitterte. Ich bebte. Und wie.
Ich dachte, ich könnte es nicht ansehen. Warum, das weiß ich nicht mehr so genau, doch selbst mit zu Boden gesenktem Blick war mir damals völlig klar, was da hinter meinem Rücken sich auftürmte. Und ich wußte – durch all meine Knochen strömte dieses Wissen –, daß die Pflicht und Schuldigkeit dieses Scheußlichen zu jenen Dingen gehörte, die nur Er verstehen kann, daß es Teil Seines planvollen Waltens war, welches uns oftmals unergründlich scheint. Und weiter hielt ich meinen Blick gesenkt und sah, wie mein gedrungener schwarzer Schatten mit der tückischen Finsternis verschmolz, die uns alle verschlang und sich wie eisig dunkle Lava ins Tal ergoß.
Und keine Sekunde länger hätte die Stille den Atem anhalten können.
Vor meinen Füßen gab es ein leises aber festes Geräusch. Drei langsam bemessene Tropfen – sie selbst eine Prophezeiung, wie mir in späteren Jahren klar wurde – fielen genau in die
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