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Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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ihrem zerbrechlichen Körper fraß und auf ihr lag wie ein erschöpfter Liebhaber. Und je länger und unheilvoller diese Anfälle wurden, desto dunkler wurden auch die blauen Flecken ihrer Stimmungen; Sardus, der zum gequälten Zeugen der mählichen aber stetig zunehmenden Entfremdung seines geliebten Weibes wurde, sah sich selbst vor seinem in langer Übung gedemütigten geistigen Auge als widerwärtiges Spottbild von einem Mann – als erbärmliche Karikatur eines Gatten, der von einem Inkubus, einem Zirkus blauer Teufel zum Hahnrei gemacht wurde.
    Aber es lag im Wesen dieser Anfälle, daß sie ebenso plötzlich abflauten wie sie kamen. Selbst auf dem Höhepunkt des Sturms kam es vor, daß sie auflebte und ihre trübe Stimmung in silberhellem Licht erstrahlte.
    Dann hüpfte und zwitscherte Rebecca wie eine lachende Lerche in überschäumender Fröhlichkeit, plauderte verspielt und phantastisch daher, flatterte um ihren herzwunden Gatten und plapperte wie ein Kind von ihren eidetischen Visionen.
    Mühsam ein Lächeln auf den Lippen haltend, hörte Sardus ihr zu und litt ihr monomanisches Geschwätz, als hätte er das alles nicht schon oft genug gehört. Während ihre winzigen Hände in wedelnden Gesten um sie hertanzten, beschwor die kinderlose Rebecca Swift fröhlich eine Welt aus Mattrosa und Babyblau, aus kleinen Schühchen und Häubchen und Häschendecken und Rasseln und Beißringen.
    Rebecca gurrte und gluckte über ihren ekstatischen Ideen, ihre Augen füllten sich mit Tränen, mit bebenden Fingern kühlte sie ihre geröteten Wangen, trat ganz aus der Wirklichkeit und erschuf sich hinter geschlossenen Lidern immer wieder den gleichen kristallenen Palast: einen Palast aus glasierten Türmchen und gläsernen Bögen, aus wolkenverhangenen Türmen und verspiegelten Böden und Treppen, aus gewölbten weißen Wänden von Kristall und porzellanenen Türen, dazu wie klares Kinderlachen das Läuten von Vesperglocken – und all das durchflutet vom warmen Licht einer kreisenden Silbersonne.
    Und dort blieb sie für einen oder zwei Tage, bis die Sonne grellweiß wurde und ihre Babys und den Glaspalast um sie her schmelzen ließ. Von neuem in die schweren Falten der Melancholie gehüllt, brütete sie dann vor sich hin, ertrunken in ihrem eigenen kleinen Regen, der ihr das Herz überspülte, aber nicht einen einzigen der in ihr aufgeschossenen Keime zum Knospen, zum Schwellen und Aufbrechen bringen konnte. Nein. Nicht ein einziger vermochte Rebeccas Kummer zu durchbrechen.
     
    Am Nachmittag des 12. August 1942 – im Zweiten Jahr des Regens also – hatte Doc Morrow als Hausarzt der Familie Swift die wenig beneidenswerte Pflicht, das Paar vom Ergebnis seiner Untersuchungen in Kenntnis zu setzen: daß Sardus potent war wie ein Bock, seine Frau jedoch leider unfruchtbar wie ein Stein, und daß somit alles, was an Liebe und Samen im Namen der Zeugung noch so verschwenderisch ausgeteilt wurde, vergebliches Mühen war. Der Arzt wußte, er brauchte nicht hinzuzufügen, daß im Lichte solchen Wissens der Liebesakt (der, da zum Mehret Euch unerläßlich, toleriert wurde) im Falle seiner Fortsetzung als glatte Unzucht betrachtet werden mußte, über welche die Kirche nicht hinwegsehen konnte.
    Der Arzt sah auf dem Weg zur Vesper bei den Swifts vorbei, traf jedoch nur Rebecca zu Hause an, da Sardus bereits zur Kirche gegangen war, um sich alleine auf den Gottesdienst vorzubereiten. Rebecca Swifts häufiges Fehlen löste bei vielen der Älteren allmählich Besorgnis aus; dessen waren sich Rebecca und der Arzt durchaus bewußt.
    Rebecca stand vor der kalten Ofentür und wärmte sich an eingebildeten Flammen. Sie stellte zwei Fragen, und der Arzt antwortete mit zwei Worten.
    »Können wir ein Kind haben?«
    »Nein.«
    »Wer?«
    »Du.«
    Mehr wurde nicht gesprochen. Doc Morrow ließ sie allein und ging zur Kirche. Rebecca Swift hatte nur noch eine letzte Krücke gehabt, auf die sie ihre gemarterte Welt stützen konnte, und mit diesen zwei Worten war ihr die Krücke zerschlagen worden.
    Kurz nachdem Sardus nach Hause gekommen und – deprimiert und erschöpft und entsetzt über die Neuigkeiten des Doktors – in unruhigen Schlaf gefallen war, stahl Rebecca sich nach draußen. Bekleidet nur mit einem Nachthemd und eine Petroleumlampe vor sich hertragend, schlich sie durch die Hintertür wie ein Vogel in die Nacht. Sie machte nur halt, um aus dem Werkzeugschuppen am hinteren Ende des vom Regen verheerten Hofs ein Seil zu holen. Die

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