Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
Vom Netzwerk:
Mitte der Bratpfanne, drangen in die Grenzen des von ihr beanspruchten Landes ein und schlugen einen Ton irgendwo zwischen Ping und Pong – einen gleichmäßigen und feierlichen Iktus ihr mitten ins geschundene Gesicht. Dieses Trio kalter blecherner Glockenschläge brach das gedunsene Schweigen, wie fernes Abendläuten, das durch frische Nachtluft klingt. Und damals schien es mir, daß diese Dreifalt von Tränen – wie das knappe Klopfen des Taktstocks vor dem Konzert oder die drei Kommandos, die vor der Hinrichtung gebrüllt werden – die Sintflut losbrechen ließ.
    Es donnerte. Und wie. Die Haut des Himmels riß auf und spie ihre Last in das Becken des Tals. Faulig und stinkend und unwiderruflich stürzte ein gewaltiger Schwall, eine Wand schmutzigen, ekelhaften und giftigen Wassers herab, als wäre die ganze Galle des Himmels aus den Kloaken der Hölle hochgepumpt worden, um in einem wütenden schwarzen Strom über Hütte und Zuckerrohr ausgekotzt zu werden. Ich war naß bis auf die Knochen, noch ehe ich überhaupt daran dachte, wegzulaufen – noch ehe ich auch nur daran dachte, den Kopf zu heben. Ich sah den rötlichen Staub Pocken werfen, und gleich darauf lief er mir als Schlamm um die Stiefel. Ich ließ den Regen in meinen Nacken und meine nackten Arme beißen, denn mich unterzustellen hielt ich für Zeitverschwendung, zumal ich das gräßliche Gefluche unterm Dach ohnehin nicht ertragen konnte – denn ich hatte gesehen, wie Ma, die noch immer auf der Veranda stand, eine ihrer Schweinsfäuste gegen den Himmel schüttelte und zu einem kurzen aber stürmischen Wortwechsel ansetzte, der jedoch abbrach, als die rostige Dachrinne über ihr unter der jähen schlammigen Flut einknickte und eine Suppe aus Laub und Beutelrattenscheiße auf ihre wabbelnden Titten pißte.
    Ich blieb also einfach da im Regen stehen und fühlte meine Haut taub werden – teils von dem Prasseln des harten Wassers, nehm ich an, teils von der Kälte.
    Durch all das Wüten und Lärmen und Donnergebell der Engel hörte ich Mule ein keuchendes »Iiii« ausstoßen, und dann ein langes und mächtiges »Aaaa«, und ich blickte auf und sah Mule, und Mule schien mich anzustarren – und so standen wir einen betäubten nassen Augenblick lang und sannen über den Wahnsinn unseres Schicksals – der Stumme und das Maultier, das Maultier und der Stumme.
    Schließlich drehte Mule mir ein höhnisches Auge zu, als wollte er sagen:
    »Wer, wenn nicht ein Esel, bleibt mitten im Wolkenbruch stehen, wenn er sich links und rechts unterstellen kann und wenn er weder angebunden noch mit Ketten beladen ist?«
    Dann ruckte er mit dem Kopf, fletschte seine Lippen um die krummen Zähne und grinste mich an.
    Mule senkte den Blick und seufzte, er neigte sich unter dem Joch seiner Kreatürlichkeit und ließ schweigend die Sturzflut auf sich einprügeln.
    Mules Kette rasselte, und Scham durchzuckte mich.
    »Wer, wenn nicht ein Esel?« fragte ich mich, und wußte in Wahrheit keine Antwort darauf.
    Ich kickte die Bratpfanne in die Luft und sah sie einen Salto schlagen und mit dem Boden auf dem überschwemmten Hang landen, nur um dann gleich von dem strömenden Wasser fortgespült zu werden, trudelnd schlurrte sie abwärts, diese vagabundierende Pfanne, wie ein beinloser Bettler mit ihrem einen bittenden Arm wild um sich greifend, fuhr sie die Schräge hinab, dem von der Sintflut schon verheerten Zuckerrohrfeld entgegen. Und dort, am Fuß des Galgenbaums und am Rand des niedergewalzten Feldes, konnte ich die Pfanne, ehe sie unterging, noch ein letztes Mal auf dem finster anschwellenden Tümpel langsam kreiseln sehen. Ja, nur eine schwachsinnig schwankende Drehung noch, und dann zog es die Pfanne hinab, kopfüber tauchte sie ein, nur ihr bettelnder Arm bohrte noch, griff noch in den gnadenlosen Strom – und dies hoffnungslos versinkende Flehen fand in der steinernen Gebärde des steinernen Galgenbaums sein Ebenbild.
II
    Im Bethaus saß abgezehrt die Gemeinde auf Kiefernholzbänken, aller Augen auf die Sakristeitür gerichtet. In der Luft hing der Gestank nasser Lumpen und eine klamme Kälte. Niemand sprach. Nur der auf das alte Eisendach hämmernde Regen war zu hören.
    Die Männer und Frauen schienen gealtert, verbissen und hager nach schlaflosen Nächten, glichen ihre Gesichter dem Antlitz des Tales selbst, ergraut und von neuen Furchen und Falten durchzogen, die über Nacht gekommen waren und langmütig getragen wurden.
    Die Frauen, ob jung oder alt, trugen grobe

Weitere Kostenlose Bücher