Und die Eselin sah den Engel
durch das feuchte Tuch meines Hemds.
ERSTES BUCH
Der Regen
I
Erntezeit im Jahre 1941, und die Sonne schmerzte am Himmel, und es bebte die geschwollene Luft und wärmte mich sehr, so wie wiederum ich mich feucht für sie erwärmte, und unsere sommerlich dumpfen Pulsschläge pochten im selben Takt.
Ich saß auf den Verandastufen, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Kinn in die Handflächen gelegt, und ließ die Lider träge hängen, betäubt von der Hitze wie von einer Droge.
Ich spuckte müßig über die knisternden Nesseln hin, die krumm zwischen den Stufen hochwuchsen, und sah die schaumige Perle im Staub landen und noch ein paar Zentimeter weiterrollen, wobei sie ihre Oberfläche mit einer feinen rotbraunen Haut überzog und eine winzige Furche hinter sich ließ.
Die rote Perle versperrte einer Ameise den Weg, die nun an diesen Felsbrocken stieß und, da sie ihn nicht vom Fleck bewegen konnte, wütend im Kreis herumfuhr und mit wild tastenden Fühlern außen darum herumstürmte. Auf dem Rücken trug sie einen Krümel. Ein wenig schwankend unter ihrer Last, erklomm die unerschrockene Ameise ihren Hügel, und kaum war sie in dem Loch an dessen Spitze verschwunden, bemerkte ich eine zweite Ameise, die, ebenfalls mit einem Krümel beladen, ähnlich verzweifelt ihrem Bau zustrebte. Mit zunehmender Sorge verfolgte ich ihren Weg durch den von der untersten Stufe geworfenen Schattenblock; auch sie wanderte der Vorderseite des Ameisenhaufens zu und trommelte dabei ebenso krampfhaft mit ihren Antennen in die Luft wie ihr Bruder.
Ich gähnte, rieb mir das Gesicht und sah wieder hin. Meine Augen hatten sich an die geschickte Tarnung dieser Wesen gewöhnt, die rot waren wie die Erde, auf der sie krabbelten, und sich nur durch den hellen Punkt ihrer Last verrieten. Ich sah, daß der heiße Staub von Ameisen wimmelte, die in rasender Flucht mit Massen von Krümeln auf dem Rücken der Spitze des Hügels zurannten und sich oben in das Loch drängten, das in ihr Brutnest führte. Die Luft schwirrte nur so von ihrem schwindelerregenden Radar.
Mit Ameisen kenne ich mich gut aus. Sehr gut. Jedenfalls gut genug, um zu wissen, daß da irgend etwas schwer nicht in Ordnung war – denn in meinem jahrelangen Studium der Ameisen hab ich es nie erlebt, daß sie schon so früh im Sommer damit anfingen, Nahrung zu horten – nie!
In der Hoffnung, meine Schritte würden die Mehrheit meiner klugen und eifrigen Freunde verschonen, sprang ich über den Ameisenhaufen und rannte auf den Hof.
Ich sah nach dem abgestorbenen Baum, der am Rand des brausenden Feldes stand und beide Arme in den Himmel reckte.
In der starren Gebärde dieses Immertot hüpfte ein fettiges Krähenpaar Fuß an Fuß wie zwei verschwörerische Nonnen einen flehenden Ast entlang, sie keckerten und pickten, flappten mit den Flügeln, um kurz abzuheben und gleich wieder zu landen, hüpften und kreischten da am Rand des rauschenden Feldes. Schwärzlich zappelten und flatterten die Krähenschlingel da oben in den Armen dieses hohlen Galgenbaums und machten genau wie die Ameisen einen ziemlich unruhigen Eindruck. Endlich sah ich die Vögel abfliegen, sie krächzten eine häßliche Warnung übers Tal und kreisten hoch und über den westlichen Hang, bis sie hinter seinem Rücken verschwanden.
Die Luft war zum Schneiden und rötlich gefärbt – sie verstopfte das Tal schier und schien geladen mit einer Elektrizität, die in meinem Kopf knisterte wie Papier. Sie sickerte irgendwie – diese Luft –, sickerte mir suppig und übelriechend in die Lungen. Und ich konnte sie sehen – konnte sehen, wie sie sich wälzte über sämtliche Spitzen und Spalten, Kuppen und Kuhlen, Grate und Gräben und Höhen und Höhlen, durch Pappelhaine und die verknoteten Stämme der mörderischen Ranken, über jeden schartigen Kamm, jede Delle und dunkle Senke, über Schluchten, Schlünde, Gründe, Klamme und Klausen und Wiesen und Wälder – sogar über dieses Moorland hier, diesen Sumpf hier, nehme ich an – ja, diesen saugenden, diesen düsteren Schlamm. In jenem blutigen Pochen der Luft vernahm ich eine Prophezeiung aus der untersten Hölle, hörte aus dem dröhnenden Hauchen ihre finsteren Verse heraus, ihre Hexensprüche und Bannflüche – hörte den Rhythmus ihres Atems – das erste Grollen, noch schwach und fern, aber näherkommend, stetig näher – spürte ihren trottenden Puls, jetzt noch lauter, hämmernd! Das Böse – es kam! mit Trommelschlag! – und diese Luft spannte
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