Und die Eselin sah den Engel
stützenden Ellbogen weg, sein Kopf knickte mit einem bösen Knirschen hinab, und seine Stirn schlug auf die Tischkante. Euchrid schmeckte Blut, sauer und salzig. Er stand auf und stolperte durchs Zimmer zu dem Kanonenofen, auf dem ein Eimer mit Wasser stand. Er tauchte den schmerzenden Kopf hinein, hielt ihn unten und ließ sich von dem kalten Wasser die Spinnweben des Schlafs vertreiben und das aus der Nase strömende Blut wegspülen. Den ganzen Kopf untergetaucht, lauschte Euchrid dem Tosen des Wassers in seinen Ohren, und nach und nach vernahm er darin ein dumpf klopfendes Pochen, das von Sekunde zu Sekunde schneller und mit jedem dunklen Schlag heftiger zu werden schien, und wie eine Kesselpauke im Crescendo hämmerte und hämmerte es und erschütterte sein Hirn mit seinem Tock-Tock Tock-Tock Tock-Tock …
Ich meine, wie würdet ihr das nennen?
Ich nenn es einen Akt der Barmherzigkeit – und zum Lohn dafür ward Pa eine kurze Zeit stiller Vergnügtheit gewährt, die sich auf unseren ganzen Haushalt zu übertragen schien; und so verlebten wir ein paar Wochen in Eintracht miteinander, er redete und ich hörte zu, und mein Kopf war ganz voll von allen möglichen Dingen, so voll, daß es war, als liefe er mir über, so oft schien Pa mir die Worte direkt aus dem Mund zu nehmen – zuweilen sprach er mit Ungestüm und steckte mich damit an. Und dann schrie mein Hirn Gedanken von solch hemmungsloser Niedertracht heraus – O von solch wilder wilder Poesie –, daß die Zunge des Alten sie lediglich formte und aussprach, so wie das Krähen des Hahns am Morgen in Wahrheit nur ein Echo ist – ein Echo der sprachlosen Beredtheit der ersten und herrlichsten Inspiration des neuen Tags. Wir waren erfüllt von einem ganz besonderen Blut – von der verhaltenen Sorte, versteht mich recht, von der vertraulichen Sorte – wir alle beide, Vater und Sohn – und in jenen langen Nächten des Hörens und Schreiens waren wir miteinander verbunden, und die Luft barst schier von unserem wilden, unzertrennlichen Geschwätz.
Pa nannte es einen Akt der Barmherzigkeit, während er einen Eimer mit Schlemmkreide, Kleister und Wasser anrührte und sich daran machte, die blutverschmierte verräterische Wand zunächst abzuschrubben und dann weiß zu überstreichen. Ich wusch die beiden Ziegelsteine sauber, übermalte sie und brachte sie zum Trocknen auf die Vorderveranda. Die Sonne, das weiß ich noch, kämpfte mit einem Rudel fetter Wattewolken, und die Schatten kamen und gingen und kamen und gingen, bis die verhüllte Nacht sie alle miteinander einsackte. Ich ging rein und nahm mir eine Petroleumlampe. Pa war mit der Wand fertig; er saß in seinem Sessel und starrte auf die große weißglänzende Fläche. Ich zündete die Lampe an und ging auf die Veranda zurück, von wo ich Pa jetzt drinnen vergnügt summen hörte. Ich spähte durch den Eingang. Ich sah ihn aufstehen, einen Hammer nehmen, an die Wand treten und drei vierzöllige Nägel in einer Reihe etwa in Kopfhöhe in die frisch gestrichenen Bretter schlagen. Dann verschwand er am anderen Ende des Zimmers aus meinem Blickfeld. Ich stellte die Lampe neben die zwei nassen Ziegelsteine und verfluchte die Ordnung der Thysanoptera – beide Steine waren mit Myriaden von verdammten Thrips übersät. Ich stieß die Steine von der Veranda in den Staub.
Drinnen hatte Pa wieder in seinem Sessel Platz genommen und besah voller Stolz die weißgetünchte Wand. An den Nägeln hing jetzt der Schwarze Bastard, die ganzen 30 Pfund, geölt und gierig grinste die Falle ihn an wie ein gigantischer prähistorischer Kieferknochen.
Mit listigem Schlag betäubte ich irgendein geflügeltes Insekt und dachte: »Das ist für die Steine«, und dann überlegte ich, daß es fast zwei Wochen her war, seit wir Ma zu Wasser gelassen hatten. Zwei volle Wochen in der Hütte, auf Wolken blutgieriger Mücken einschlagend, und ich fragte mich damals, so wie ich mich heute frage, hier in diesem Treibschlamm festsitzend wie ein Thrip auf einem klebrigen Ziegelstein, warum Pa so lange damit gewartet hatte, die Mordwand zu übertünchen.
Doch unsere gemeinsame Zeit der schlichten Eintracht zwischen Vater und Sohn nahm ein Ende: ein bleierner Vorhang fiel, eine Tür wurde mir ins Gesicht geschlagen, und so sehr ich darüber nachgrüble, verblüfft mich die Sache noch immer. Hört zu.
Es war am Ende der zweiten Woche meines Lebens ohne Ma. Wir hatten einen angenehmen Abend verbracht, und Pa war gutgelaunt und fröhlich zu
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