Und die Eselin sah den Engel

einen finsteren Augenblick wie ein schmutzig grauer Geist über uns hinweg, ehe er sich gnädigerweise in sich selbst zurückrollte –
     
    2. Nein, im Herzen heget ihr Bosheit,
    Unrecht bringen eure Hände dem Land.
    3. Abgewichen sind die Gottlosen vom Mutterleib an;
    vom Schoße der Mutter an gehn irrige Wege die Lügner.
     
    Und eisiger Schauder umklammerte mein Herz, und mir schwindelte, doch nicht vom Rauch, nicht von den Dämpfen –
    4. Gift ist in ihnen wie Schlangengift,
    wie Gift einer tauben Otter, die verschließt ihre Ohren.
    5. Nicht will sie vernehmen des Zauberers Stimme,
    des Schlangenbeschwörers, der kundig starker Beschwörung.
     
    – nicht von den giftigen Dämpfen wurden meine Hände immer heißer und rauh und wund und fingen furchtbar zu pochen an, zuckten meine gewundenen Adern, zuckten und pochten –
     
    6. Brich ihnen aus, o Gott, die Zähne im Mund,
    Herr, das Gebiß zerschlage den Löwen.
    7 Sie sollen vergehn wie Wasser, die sich verlaufen;
    und legen sie Pfeile an, so seien sie stumpf.
     
    – meine Zähne schießen hoch und zermalmen mir die Ohren, so daß Pas Worte schmelzen und meine vergifteten Gedanken voller –
    8. Sie sollen vergehn, wie die Schnecke vergeht;
    wie eines Weibes Fehlgeburt, die niemals Sonne erblickt.
    9. Eh’ noch am Dornenfeuer ihre Töpfe erwärmen,
    ja, solange grün noch der Dorn, fege ihn der Glutwind hinweg.
     
    – anderer Stimmen klingen, böser Stimmen –
     
    10. Es freuet sich der Gerechte, wenn Vergeltung er schaut,
    seine Füße wird er baden im Blute des Frevlers.
     
    – gerechter Stimmen. O Blut –
     
    11. Und die Menschen werden dann sagen:
    »Wahrlich, dem Gerechten wird doch sein Lohn;
    wahrlich, es ist ein Gott, der richtet auf Erden.«
     
    – O blutiger Lohn. –
     
    Matt glomm die Asche im Faß, gab aber kein Licht, und die sternenlose Nacht diente als Schleier, so daß mein Vater die Tränenströme nicht sehen konnte, die meine glühenden Wangen übergossen hatten. Wir saßen und schwiegen. Und dann kam aus dem Dunkel, plötzlich alt, alt und erstickt, Pas Stimme: »Junge … nicht weinen, Junge … ist ja gut … ist ja alles gut …«
    Und dann griff Pas Hand aus dem Dunkel, aber ich war nicht so – durcheinander, daß ich sie nicht kommen sah, und duckte mich schnell weg, blieb unten, aber – und sie – er berührte mich – nein, sondern legte sanft seine Hand auf meine, meine rechte – einfach so, ganz sanft, und kaum vermochte ich meine Hand stillzuhalten, so sehr zitterte sie – ein so gottverdammt fremdes Gefühl – so verdammt und vollkommen fremd – seine kühle rauhe Menschenhand auf meinen kleinen heißen Zitterfingern. Das Ganze dauerte höchstens, sagen wir, vier Sekunden, dann gab er mir einen leichten Klaps und glitt im selben Augenblick von der Motorhaube des Chevys runter.
    Ich blieb dort sitzen, umsummt von Dunkelheit, mein ganzes Wesen bebte, und ich hörte ihn über den Hof stapfen, hörte den Eimer klappern und das Platschen des Wassers im Trog, als er ihn füllte, dann wieder seine Schritte, und schließlich ein langes Zischen, als er den Eimer ins Faß ausleerte.
    »Sogar die Asche stinkt«, hörte ich ihn wohl noch brummen, als das Geräusch seiner Schritte in der Nacht verscholl.
    Als das Jucken nach einer Weile aufgehört hatte, glitt auch ich von der Motorhaube und ging über den Hof zum Faß. Ich spähte hinein und schnüffelte ausgiebig. Roch aber nichts, oder eher, ich vergaß, etwas zu riechen, denn aus dem Grund des Fasses lachte mir, gespiegelt in der schmutzigen Aschensuppe, das volle Gesicht des Mondes entgegen.
    Erschöpft stürmte ich in die Hütte.
XVII
    Die Sonne ging auf und weckte den Hahn. Der Hahn krähte und weckte den wilden Hund. Der Hund jaulte und weckte die Krähen, die sich in die Luft hoben und »krächz-krächz-krächz« in niedrigem Flug herumflogen, bis das ganze verdammte Tal geweckt war. Kein Wunder, daß es für die Krähen keine Schonzeit gibt.
    Ich kroch aus dem Bett, mein Kopf ein einziges Schlachthaus. Gerupfte Vögel mit großen gelben Schnäbeln wurden Opfer des Hackmessers. Mein Kopf pulsierte vom »krächz-krächz-hack«, »krächz-krächz-hack« meiner blutrünstigen Morgengedanken. Ich zog mich an und ging ins Vorderzimmer, schlich, um ihn nicht zu wecken, an Pas Zimmer vorbei, und hoffte verzweifelt, daß seine finstere Stimmung der letzten zwei Tage sich gelegt hätte.
    Meine Bindehautentzündung – ein Familienerbstück – von Pas Seite –