Und die Goetter schweigen
Jungs? Ist das so?«, hatte er gefragt und seine grobporige Nase in die Achselhöhle gesteckt. »Oho, ich glaube, ich werde rot.«
»Wegen zu viel Arbeit schwitzt du ganz bestimmt nicht, du hast also Grund genug, rot zu werden, finde ich.« Hartman hatte die Stimme erhoben und seinen Vorgesetzten mit Blicken durchbohrt, der es für angebracht hielt, eine Weile hinüber zur Staatsanwaltschaft zu gehen.
Als Maria das Protokoll mit den wichtigsten Fakten aus ihrem Verhör mit Stina Ohlsson schrieb, fiel ihr ein, dass sie versäumt hatte, die Frau danach zu fragen, welcher Arbeit sie nachging. Eine Routinefrage, die von einer Tränenattacke unterbrochen worden war. Als Maria gerade nach dem Hörer griff, um dieses Detail zu klären, klingelte das Telefon. Professor Morgan Höglund war mit einem früheren Zug eingetroffen und bat darum, vom Bahnhof abgeholt zu werden. Als die Menschenmenge sich auf dem Bahnsteig verlaufen hatte, entdeckte Maria den kleinen Mann mit runden Brillengläsern und safrangelbem Mantel. »Maria, mein Herzenskind und mein Augenstern. Du bist schön wie ein Engel«, rief Morgan fröhlich auf seine feierliche Art und sah Maria prüfend von oben bis unten an. »Nun ja, einen schönen Menschen entstellt nichts«, fügte er hinzu, nachdem sein Blick deutlich gesagt hatte, was er von ihrer unweiblichen Kleiderwahl hielt. Ein Duft von Glühwein leitete sie in den Besprechungsraum. Im Adventsständer brannten drei der vier Kerzen, und Hartman ließ sie wieder einmal in selbst gebackenen Safranskuchen schwelgen. Der Professor konnte sich nicht zurückhalten, die Form der Kuchen zu kommentieren, und sofort war ihm dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums sicher. »Lussekatt, also Lussekatze kommt von dem Wort Luzifer. Dem Mythos nach fuhr die Göttin Freyja (wahrscheinlich auch Lusse genannt) in einem von Katzen gezogenen Wagen umher. Eine Lussekatze, also Lussekatt, ist ein Safransgebäck, das einen Wagen mit vier Rädern vorstellt. In der Lussenacht fuhr Lusse mit einer großen Last von Läusen umher und kippte ganze Haufen von dem Ungeziefer auf den Höfen ab, die ihrem Befehl, in dieser Nacht ›nicht zu brauen, nicht zu backen, keine großen Feuer zu schüren‹, nicht gefolgt waren. Diese einfachere Form des Gebäcks mit einem Haken an beiden Enden wurde allerdings Weihnachtseber genannt«, fuhr der Professor fort. Maria räusperte sich vorsichtig. Wenn der Professor nicht auf das Wesentliche hingewiesen wurde, konnte der Tag sicher für alle unvergesslich werden, aber sie würden nichts erfahren, was ihnen bei der Lösung des Mordfalles Dick Wallström weiterhelfen konnte. Das Zeichen, das in den Stein geritzt und in den Lehm gemalt worden war, erkannte der Professor sofort. »Das ist eine Fruchtbarkeitsrune, Jara«, rief er begeistert aus und fuhr sich durch den schütteren Kinnbart. »Die Sichel und die Ähre gehören auch zu den Symbolen der Fruchtbarkeitsgöttin Freyja. Die Ebereschenzweige ordne ich eher Thor zu. Ebereschenzweige wurden ›Thors Trost‹ genannt, nachdem er sich auf seiner Fahrt zu dem Riesen Geirrödr auf einen solchen Baum gerettet hatte. Über das Mittwinteropfer weiß man nicht viel mehr, als was Meister Adam von Bremen 1070 aufgezeichnet hat, er beschreibt ein Opfer im Heidentempel in Uppsala. Ihm zufolge wurden von jeder Art neun männliche Tiere geopfert, durch deren Blut man sich mit den Göttern versöhnte. Neun ist eine heilige Zahl in der Mythologie des nordischen Altertums.« Erika wurde vor Eifer rot: »Das waren neun männliche Wesen, ein Mann und acht Tiere! Das vorläufige Obduktionsresultat, das heute Morgen kam, zeigt, dass das Opfer mit einem Messer von vorn direkt in den Hals gestochen wurde. Ihm sind mehrere Liter Blut abgezapft worden, ebenso dem Hund. Auf dem Erdboden am Tatort befand sich aber kein Blut. Wir können uns also vorstellen, dass der Mann woanders ermordet wurde und danach zu der Esche in Kronwald gebracht wurde. Die Blutprobe ergibt, dass Dick Wallström alkoholisiert war, 2,2 Promille.«
»Es ist interessant, dass Sie die Esche erwähnen. Der Baum des Lebens, an dem Odin hing, war der Mythologie nach eine Esche. Das Opferblut der Tiere wurde in Schalen gesammelt und mit Holzspänen auf die Wände des Tempels, auf Menschen und auf Götterbilder gesprengt. Von dem Opfer im Heidentempel in Uppsala wird berichtet, dass Thor in der Mitte stand und links und rechts von ihm Odin und Freyja, ›cum ingenti priapo‹, mit einem mächtigen Phallus,
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