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und die große Versoehnung

und die große Versoehnung

Titel: und die große Versoehnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheridan Winn
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rauf und wieder runter, angetrieben von einer fieberhaften Unruhe.
    Warum nur musste ich den Vogel töten?, fragte sie sich zum hundertsten Mal. Was habe ich mir dabei gedacht? Es war klar, dass Verena außer sich sein würde …
    Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Glenda Angst. Dieser Knoten in ihrem Magen – so etwas hatte sie bisher nicht gekannt. Nicht so. Ja, sie hatte durchaus Angst verspürt, wenn sie in einen Kampf verwickelt war und ihre Magie angewandt hatte. Aber das war etwas anderes gewesen. Es war beängstigend und aufregend zugleich gewesen. Jetzt spürte sie nur Leere und Traurigkeit. Sie war einsam.
    Ich bin eine alte Frau geworden, dachte sie. Ich bin alt, und ich bin allein. Während die Sonne hinter den Bäumen versank, fröstelte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, sie mit den Händen warm zu reiben. Plötzlich fühlte sich der dunkle Raum empfindlich kalt an. Sie drehte sich, um eine Lampe anzuknipsen, und sah sich um.
    Das Haus fühlt sich leer an, dachte sie. Verena ist seit heute Morgen auf Cantrip Towers. Das Telefon hat den ganzen Tag nicht geklingelt. Ich bin allein. Reich und mächtig, das schon – aber allein.
    Allein zu sein hatte Glenda nie zuvor bekümmert. Es hieß, dass sie tun konnte, was sie wollte und wann sie es wollte. Sie hatte vier wohlhabende Ehemänner gehabt, die inzwischen alle tot waren. Jeder Einzelne von ihnen hatte ihr Geld hinterlassen, und sie hatte die Welt bereist. Als ihr Sohn Stephen geboren wurde, ließ sie ihn in der Obhut einer Nanny zurück und besuchte ihn nur selten. Jeder, der versucht hatte, ihre Pläne zu durchkreuzen, hatte ihre Magie zu spüren bekommen. Sogar ihre Ehemänner, auch wenn sie davon nichts ahnten. Sie hatte ihre magischen Kräfte die ganzen Jahre über gut versteckt.
    Niemand hat je zweimal versucht, mich aufs Kreuz zu legen, dachte sie mit einem kalten Lächeln. Jedenfalls nicht bis zu den Cantrip-Schwestern. Und dieser Duggery-Person …
    Glendas Miene verdüsterte sich, und sie starrte vor sich hin. Die Cantrip-Schwestern und MrsDuggery sind eine verflixte Plage, dachte sie. Ihr Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln.
    Seit sie im Juni nach Eichenruh gekommen war, hatte sie versucht, die Cantrip-Schwestern loszuwerden. Sie hatte versucht, sich Cantrip Towers unter den Nagel zu reißen. Und sie hatte versucht, den geheimen Plan in die Finger zu bekommen, von dem sie wusste, dass die Mädchen ihn hatten. Nichts davon hatte funktioniert.
    Jedes Mal haben die Mädchen oder MrsDuggery mir die Stirn geboten, dachte sie verbittert.
    Also, war es das wert? Was habe ich bisher erreicht?
    Sie grübelte eine Weile darüber nach, aber dann ergriff sie wieder die Unruhe. Deshalb ging sie schnell in die Küche, öffnete den Schrank mit den Weingläsern, nahm eins heraus und ging damit zum Kühlschrank. Sie nahm eine eisgekühlte Flasche Weißwein, goss sich ein Glas ein und trug es ins Wohnzimmer. Dort machte sie den Kamin an und setzte sich auf das cremefarbene Sofa.
    Während die Scheite zu knistern begannen und es im Zimmer langsam wärmer wurde, saß sie da und trank ihren Wein.
    Es wäre nett, jemanden zum Reden zu haben, schoss es ihr durch den Kopf.
    Warum denke ich das? Es hat mir nie etwas ausgemacht, allein zu sein, dachte sie irritiert, während sie in die Flammen blickte.
    Weshalb fühle ich mich einsam? Liegt es nur daran, dass ich älter geworden bin?
    Sie atmete tief ein. Solche Gedanken hatte ich bisher noch nie, dachte sie. Niemals. Was ist bloß los mit mir? Warum denke ich überhaupt darüber nach? Verena wird schon bald zu Hause sein, und ich muss noch das Abendessen vorbereiten. Ich werde den Abend nutzen, um mehr über ihre magischen Kräfte herauszufinden.
    Glenda sah sich um. Obwohl ein warmes Feuer im Kamin prasselte, fühlte der Raum sich seltsam kalt an.
    In der Eingangshalle glitzerten die Lichter am Weihnachtsbaum.
    Aber für wen?, dachte Glenda. Außer mir ist niemand hier.
    Ich hoffe, Stephen kommt bald zurück …
    Sie seufzte. Ich habe in meinem Leben viele Fehler gemacht, aber der größte war, meinen Jungen allein zu lassen.
    Welche Fehler?, grübelte sie dann. Was denke ich da bloß?
    Es hat den Eindruck, als würden sich die Dinge allmählich ändern …
    Zoe wird bald mit Stephen nach Hause zurückkehren. Verena wird darüber sehr glücklich sein. Und ich werde – ja, was? Wo soll ich dann hin?
    Sie lächelte, als sie an ihren Sohn dachte, der ein erfolgreicher Anwalt war.

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