und die große Versoehnung
den Mädchen Glauben schenkt, ist sie eine sehr gefährliche Frau. Sie könnte dir weh tun.«
»Ich weiß, darüber habe ich schon nachgedacht«, meinte Grandma. »Und ich werde das Risiko wohl eingehen müssen.«
»Wann willst du rüberfahren?«
»Direkt morgen früh«, sagte Grandma. »Aber verrate den Mädchen bitte nichts davon, ich möchte nicht, dass Verena Glenda vorwarnt.«
»Du willst dir den Überraschungseffekt zunutze machen«, sagte Mum. Sie seufzte. »Ich werde an dich denken, Marilyn, und ich hoffe sehr für dich, dass du dein Geld wiederbekommst.«
»Ich danke dir, meine Liebe«, erwiderte Grandma lächelnd.
Am Dienstagmorgen herrschte ungemütliches, kaltes Wetter. Marilyn Cantrip packte sich warm ein, bevor sie in ihr Auto stieg und die Auffahrt von Cantrip Towers hinunterfuhr. An der Straße angekommen, bog sie links ab und folgte der engen Landstraße bis nach Eichenruh. Es war glatt, und sie fuhr sehr vorsichtig. Hier und dort hatte der Wind den Schnee auf den Feldern zu Verwehungen aufgetürmt.
Endlich war sie auf Eichenruh angekommen und stieg aus dem Wagen.
Nur Mut, sagte sie sich, als sie auf die imposante Eingangstür zuging. Sie packte den messingfarbenen Türklopfer, holte tief Luft und pochte zweimal.
Die Tür öffnete sich.
Glenda Glass starrte sie überrascht an. »Marilyn Cantrip«, sagte sie, während sie sich gegenseitig musterten.
»Guten Morgen, Glenda. Ich weiß, es ist früh und mein Besuch kommt unangemeldet, aber ich würde trotzdem gerne mit dir sprechen, bitte.«
Glenda zögerte. Dann öffnete sie die Tür weit und sagte: »Komm rein.«
Marilyn trat in den Hausflur und warf einen Blick auf den Weihnachtsbaum. »Ist Verena da?«
Hinter ihr schloss Glenda die Tür. »Sie ist noch nicht runtergekommen. Es ist ein bisschen früh für sie.«
Glenda führte Marilyn Cantrip ins Wohnzimmer und machte die Tür hinter ihnen zu. Die zwei Frauen setzten sich: Marilyn auf das Sofa und Glenda in den Lehnsessel.
Die beiden sahen sich verblüffend ähnlich: Sie waren annähernd gleich alt, groß und schlank, hielten sich dank ihrer Vergangenheit als Balletttänzerinnen sehr aufrecht und besaßen eine feine, aristokratische Nase. Marilyns ehemals kupferfarbenes Haar schimmerte inzwischen in einem Erdbeerblond und war zu einem feschen Bob geschnitten. Glendas hellblondes Haar war im Nacken zu einem Dutt geschlungen.
Der Blick aus Marilyns grünen Augen traf auf den aus Glendas blauen.
»Und?«, fragte Glenda.
»Ich schätze, du weißt, warum ich hier bin.«
Glenda hob die Augenbrauen, als wolle sie sagen: Ach, wirklich?
Marilyn schwieg kurz, dann fuhr sie fort: »Je älter ich werde, desto mehr bedeutet mir eine liebevolle Familie. Vielleicht, weil ich mich im Alter verwundbarer fühle und mich nach ihrem Schutz sehne. Ich habe großes Glück, bei meiner Familie leben zu können und dass wir uns alle so gut verstehen. Wir empfinden viel Liebe füreinander, und dafür bin ich sehr dankbar.«
Marilyn machte eine Pause. Sie fragte sich, ob Glenda einen Kommentar abgeben würde – womöglich zugäbe, dass auch sie Veränderungen in ihrem Leben spürte –, aber sie sagte nichts.
»Die Dinge scheinen ans Licht zu kommen«, fuhr Marilyn fort. »Wie dir Verena vielleicht erzählt hat, sind Colin und Ottalie außer sich, dass ihre Töchter magische Kräfte besitzen. Und auch Verena hat nun welche.«
Glendas Miene blieb ausdruckslos.
Nachdenklich sagte Marilyn: »Colin hat ein angeborenes Verständnis für Magie, denke ich, aber Ottalie ist sehr unglücklich darüber. In den letzten Tagen gab es viel Aufregung und Streit deswegen.«
Glenda starrte Marilyn ob dieser Offenheit verblüfft an. »Bist du vorbeigekommen, um mir das zu erzählen?«, fragte sie.
»Zum Teil«, erwiderte Marilyn. »Ich möchte, dass du weißt, dass sich die Dinge für uns alle ändern. Und sie nicht länger verborgen bleiben wie bisher. Ich glaube, es ist an der Zeit, offen miteinander zu sein.«
Glenda hob die Augenbrauen und nickte. »Und?«, sagte sie.
Nur Mut, dachte Marilyn, als ihre Blicke sich aufs Neue trafen.
»Und ich glaube, dass du etwas hast, das mir gehört.«
Glenda zeigte zum ersten Mal eine Reaktion. Ihre Augen verengten sich, und ihr Körper wurde ganz starr. Einen Moment fragte Marilyn sich, was passieren würde. Aber dann senkte Glenda den Blick auf ihre Hände und verharrte schweigend.
Marilyn ließ eine Weile verstreichen, bevor sie fortfuhr. »Dir und deiner
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