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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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berühmte »Allgemeinzustand« gar nicht schlecht sei.
    Das einzige, was mit ihm nicht in Ordnung war, war die Tatsache, daß er eine Kugel im Kopf hatte.
    Im Augenblick seines Todes waren außer seiner Frau zwei Gehirnchirurgen, zwei Krankenschwestern und ein Erster Kriminalassistent von der Polizei in Lund anwesend.
    Man war sich einig geworden, daß eine Operation zu riskant sein würde, und das schien sogar einem Laien recht einleuchtend zu sein. Denn als Tatsache stand immerhin fest, daß Palmgren zwischenzeitlich bei Bewußtsein und einmal sogar so klar gewesen war, daß man sich mit ihm hatte verständigen können. Der in die Klinik beorderte Kriminalbeamte, der sich zu dieser Zeit mehr tot als lebendig gefühlt hatte, hatte ein paar Fragen an ihn gerichtet:
    »Haben Sie den Mann gesehen, der auf Sie geschossen hat?« Und:
    »Haben Sie ihn erkannt?«
    Die Antworten waren eindeutig gewesen, ein Ja auf die erste und ein Nein auf die zweite Frage. Palmgren hatte seinen Attentäter zwar gesehen, aber zum ersten und letztenmal in seinem Leben. Dies machte den Fall nicht verständlicher, und in Malmö legte Mänsson das Gesicht in schwere, bedeutsame Falten und sehnte sich intensiv nach einem Bett oder zumindest nach einem sauberen Hemd.
    Der Tag war unerträglich heiß, und das Polizeihaus besaß nichts, was einer Klimaanlage auch nur entfernt ähnelte.
    Die einzige klitzekleine Spur, die er gehabt hatte, war durch schiere Dummheit verspielt worden. Oh, diese Stockholmer, dachte Mänsson. Er sagte es aber nicht - aus Rücksicht auf Skacke, der eine empfindliche Natur war.
    Wieviel mochte diese Spur übrigens wert gewesen sein? Er wußte es nicht. vielleicht gar nichts.
    Aber dennoch. Die dänische Polizei hatte die Besatzung des Tragflächenbootes Springeren verhört, und einer der Stewardessen an Bord war während der Neunuhrfahrt von Malmö nach Kopenhagen ein Mann aufgefallen, hauptsächlich deshalb, weil dieser darauf bestanden hatte, während des ersten Teils der fünfunddreißig Minuten währenden Überfahrt oben auf dem Achterdeck zu bleiben. Sein Aussehen, das heißt vor allem seine Kleidung stimmte einigermaßen mit der mageren Personenbeschreibung überein.
    Hier schien es tatsächlich etwas zu geben, was wirklich stimmte.
    Man bleibt nämlich auf diesen sogenannten Flugbooten nicht oben an Deck stehen, die in mancherlei Hinsicht eher an Flugzeuge denn an Schiffe erinnern. Es ist sogar fraglich, ob es überhaupt erlaubt ist, während der Überfahrt oben an der frischen Luft zu bleiben. Allmählich hatte aber auch dieser Mann sich bequemt, hinunterzukommen, und sich dann in einen Sessel gesetzt. Er hatte weder zollfreie Schokolade, weder Schnaps noch Zigaretten gekauft und folglich auch nichts Geschriebenes hinterlassen. Wenn man etwas kaufen will, muß man nämlich eine gedruckte Bestelliste ausfüllen.
    Warum hatte dieser Mann versucht, sich so lange wie möglich an Deck aufzuhalten? Vielleicht, um Gelegenheit zu haben, etwas ins Wasser zu werfen. Sollte diese Annahme zutreffen: was?
    Die Waffe.
    Wenn es sich überhaupt um den Täter gehandelt und dieser den Wunsch gehabt hatte, die Tatwaffe loszuwerden. Genausogut war aber denkbar, daß dieser Mann nur nicht hatte seekrank werden wollen und es aus diesem Grund vorgezogen hatte, an der frischen Luft zu bleiben.
    »Wenn, wenn, aber, aber«, murmelte Mänsson vor sich hin und zerbiß seinen letzten Zahnstocher.
    Es war ein abscheulicher Tag. Erstens die Hitze, die fast unerträglich war, wenn man sich gezwungen sah, so einen Tag drinnen zu verbringen, hinter Fenstern, die einen der glühenden Nachmittagssonne nahezu schutzlos aussetzten. Zweitens dieses untätige Warten. Das Warten auf Bescheid, das Warten auf Zeugen, die es geben mußte, die aber nichts von sich hören ließen.
    Die Untersuchung des Tatorts kam nur schleppend voran. Man fand Hunderte von Fingerabdrücken, aber es gab nicht den geringsten Anlaß, anzunehmen, daß irgendeiner von dem Mann stammte, der Viktor Palmgren erschossen hatte. Die größten Hoffnungen wurden noch in das Fenster gesetzt, aber die wenigen Abdrücke auf dem Glas waren zu verwischt, um sichergestellt werden zu können. Backlund irritierte am meisten, daß es nicht gelang, die Patronenhülse zu finden. Er rief deshalb mehrmals an. »Ich begreife einfach nicht, wohin das Ding verschwunden sein kann«, sagte er gereizt.
    Mänsson fand die Antwort auf diese Frage so einfach, daß sogar Backlund sie finden sollte. Darum

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