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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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war der Mann schon längst weg.«
    »Können Sie diesen Mann beschreiben?« fragte Skacke mit schlecht verhehltem Eifer und zog den Notizblock zu sich heran.
    »Jaa, er war so etwa dreißig bis vierzig Jahre alt. Vielleicht näher an die Vierzig, würde ich sagen, weil er nämlich ziemlich kahl auf dem Kopf war, das heißt nicht ganz kahl, aber er hatte dünnes Haar. Er hatte dunkles Haar. Und dann trug er einen braunen Anzug und ein gelbliches Hemd und eine Krawatte, ich weiß aber nicht, von welcher Farbe. Die Schuhe waren braun oder schwarz, ich glaube, eher braun, denn der Anzug war ja braun.«
    »Wie sah er aus? Körperbau, Gesichtszüge, irgendein besonderes, auffälliges Kennzeichen?«
    Sie schien nachzudenken. »Er war mager«, sagte sie. »Sowohl am Körper wie im Gesicht. Und ziemlich groß. Kleiner als Sie, natürlich, aber doch ziemlich groß. Tja, das war's, ich wüßte nicht, was ich sonst noch sagen könnte.«
    Skacke saß schweigend da und sah sie eine Weile an. Dann sagte er: »Wann haben Sie ihn aus den Augen verloren? Wo befand er sich in dem Augenblick?«
    »Bei der Verkehrsampel, glaube ich. An der Kreuzung Brugsgatan. Da war Rot, wenn ich mich recht erinnere. Dann wurde es Grün, und ich ging über die Straße, und dann war er weg.«
    »Hm«, sagte Skacke. »Haben Sie gesehen, wie das Fahrrad aussah?«
    »Das Rad? Wie ein normales Fahrrad, nehme ich an.«
    »Haben Sie nicht die Farbe gesehen?«
    »Nein«, sagte Frau Gröngren und schüttelte den Kopf. »Es fuhren ja dauernd Autos vorbei und versperrten mir die Sicht.«
    »Ach so«, sagte Skacke. »Noch mehr fällt Ihnen im Augenblick zu dem Mann nicht ein?«
    »Nein. Ich wüßte nicht, was. Kriege ich jetzt eine Belohnung?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Skacke. »Die Allgemeinheit hat nämlich die moralische Pflicht, der Polizei zu helfen. Wenn ich jetzt Ihre Anschrift und Ihre Telefonnummer bekommen könnte, Frau Gröngren? Wenn es nötig ist, lassen wir von uns hören.«
    Die Frau nannte ihre Adresse und ihre Telefonnummer. Dann erhob sie sich. »Ja, auf Wiedersehen dann«, sagte sie. »Glauben Sie, daß ich jetzt in die Zeitung komme?«
    »Das ist nicht ausgeschlossen«, sagte Skacke, um sie aufzumuntern. Er stand auf und begleitete sie zur Tür. »Auf Wiedersehen, und haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe. Und für Ihre Mühe.« Als er die Tür geschlossen hatte und wieder hinterm Schreibtisch saß, ging die Tür wieder auf und die Frau steckte den Kopf zur Tür herein. »Da war doch noch etwas«, sagte sie. »Bevor der Mann das Rad bestieg, holte er irgend etwas aus dem Jackett, hier aus der Brusttasche, und steckte es in einen Pappkarton oder eine kleine Kiste, die auf dem Gepäckhalter befestigt war. Das hatte ich eben ganz vergessen.«
    »Oh«, sagte Skacke. »Sie haben nicht zufällig gesehen, was es war? Dieser Gegenstand?«
    »Nein, der Mann stand sozusagen abgewandt. Aber der Karton war etwa so groß, fast so groß wie der Gepäckhalter und etwa zehn Zentimeter hoch. Ich sah ihn nämlich hinterher, als der Mann losfuhr.«
    Skacke bedankte sich noch einmal, und Frau Gröngren ging, diesmal offensichtlich endgültig. Dann wählte Skacke die Nummer der Flugbootanlegestelle.
    Auf den Deckel seines Notizblocks hatte er, als dieser noch neu war, geschrieben: Kriminalassistent B. Skacke. Jetzt setzte er, während er auf das Gespräch wartete: Erster davor.

10
    Am Sonnabendmittag, kurz nach eins, stießen Martin Beck und Per Mänsson in der Tür zur Kantine des Polizeihauses zusammen. Martin Beck hatte sich im Industriehafen herumgetrieben, der an so einem Sommertag zur Ferienzeit still und verlassen dalag. Beck war bis zum Ölhafen gegangen, wo die Auffüllarbeiten vorübergehend eingestellt worden waren. Er hatte die eigentümliche, sciencefiction-ähnliche Industrielandschaft mit dem stehenden milchfarbenen Wasser in den Dämmen betrachtet, von rechtwinkligen Sandwällen umgeben waren, in denen Lastwagen und tiefe Spuren hinterlassen hatten, und sich darüber gewundert, wie sehr sich das Hafengebiet in den fünfzehn Jahren, seitdem er das letztemal hiergewesen war, verändert hatte. Plötzlich hatte er Hunger verspürt, trotz der ausgiebigen Mahlzeit am Vorabend - ein neues und angenehmes Gefühl. Der Mensch gewöhnt sich schnell, dachte er zufrieden, und während er so rasch, wie die Hitze es zuließ, zur Stadtmitte zurückkehrte, fragte er sich, was heute in der Kantine des Polizeihauses auf dem Speisezettel stehen mochte.
    Mänsson

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