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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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Mahn legte den Hörer auf, ohne sich zu bedanken oder sich zu verabschieden. Benny Skacke hatte den Faden verloren und gab sich Träumereien hin. Er malte sich aus, wie er die Lösung allein finden und den Mörder aufspüren und fangen würde. Das hieß dann Beförderung, und dann würde es nur noch darum gehen, den Weg nach oben fortzusetzen. Als das Telefon von neuem klingelte, war er kurz davor, zum Polizeichef ernannt zu werden.
    Es meldete sich die Stimme einer Frau. Zunächst verstand er nicht, was sie wollte, da sie Schönen-Dialekt sprach, den ein Stockholmer nur schwer verstehen kann. Bevor Skacke nach Malmö versetzt worden war, war er noch nie in Schonen gewesen, und es erstaunte ihn nicht, daß er bestimmte Dialekte dieser Provinz nur sehr schwer verstehen konnte. Was ihn dagegen immer wieder erstaunte, war die Tatsache, daß er selbst sich nicht immer verständlich machen konnte. Dabei sprach er doch ein völlig reines Schwedisch.
    »Es geht um diesen Mord, über den die Zeitungen berichtet haben«, hörte er die Frau sagen.
    »Ja«, sagte er und wartete.
    »Ich spreche doch mit der Kriminalpolizei?« fragte sie mißtrauisch.
    »Ja, hier ist Kriminalassistent Skacke«, sagte Skacke. Zögerndes Schweigen. »Assistent? Ist denn kein Chef da?«
    »Der ist im Augenblick nicht im Haus. Sie können aber genausogut mit mir sprechen. Ich arbeite auch an diesem Fall. Was haben Sie denn auf dem Herzen?« Er meinte selbst, einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck zu machen, aber die Frau am anderen Ende der Leitung schien nicht ganz davon überzeugt zu sein, daß er befugt war, wichtige Gespräche entgegenzunehmen.
    »Es ist vielleicht besser, wenn ich selbst hinkomme«, sagte sie "feierlich. »Ich wohne ganz in der Nähe.«
    »Ja, schauen Sie nur herein«, sagte Skacke. »Fragen Sie einfach nach Kriminalassi…«
    »Dann ist der Chef vielleicht schon wieder da«, fügte die Frau hinzu und legte auf.
    Es dauerte zwölf Minuten. Dann klopfte es an der Tür. Hatte die Frau schon am Telefon einen skeptischen Eindruck gemacht, so wirkte sie noch mißtrauischer, als sie Skacke sah.
    »Ich habe mir eigentlich einen etwas älteren Herrn vorgestellt«, sagte sie mit einem Ton. als gelte es, in einem Geschäft eine Ware zu prüfen.
    »Bedaure«, sagte Skacke steif. »Nun ist es aber so, daß ich im Augenblick der Diensttuende bin. Wollen Sie sich nicht setzen?« Er rückte den Lehnstuhl etwas näher an die Schreibtischseite heran, und die Frau setzte sich vorsichtig auf die äußerste Stuhlkante. Sie war klein und verhutzelt und trug einen hellgrünen Sommermantel und einen weißen Strohhut.
    Skacke kehrte zu seinem Platz hinterm Schreibtisch zurück. »Also, Frau…«
    »Gröngren.«
    Namen gibt's, dachte Skacke. Nicht zu fassen. »Also, Frau Gröngren, was haben Sie über dieses Ereignis am Mittwoch zu erzählen?«
    »Den Mord«, sagte sie. »Wissen Sie, es ist nämlich so, daß ich den Mörder gesehen habe. Ich wußte damals natürlich noch nicht, daß er ein Mörder ist; das habe ich erst heute morgen erfahren, als ich die Zeitung las.«
    Skacke beugte sich vor und faltete die Hände auf der Schreibunterlage. »Erzählen Sie«, sagte er.
    »Ja, verstehen Sie, ich war drüben in Kopenhagen gewesen, um Lebensmittel einzukaufen, und später hatte ich mich noch mit einer Freundin getroffen und im Bronnum Kaffee getrunken. Ich kam also ziemlich spät nach Hause. Und als ich dann an der Mälarbron an die Ampel komme, zeigt sie gerade Rot, und da mußte ich also gegenüber vom Savoy stehenbleiben. Da sehe ich plötzlich einen Mann, der aus einem der Fenster des Restaurants springt. Ich bin nämlich ein paarmal mit meinem Neffen dagewesen, um zu essen, und daher wußte ich, daß es ein Restaurantfenster war. Zuerst dachte ich: So ein Lümmel, will sich auf diese Weise vorm Bezahlen drücken. Ich konnte aber nichts machen, weil ja Rot war, und außer mir war kein Mensch in der Nähe.«
    »Haben Sie gesehen, wohin der Mann anschließend ging?« fragte Skacke.
    »Aber ja. Er ging zum Fahrradständer links vom Hotel, und dort nahm er ein Fahrrad und sauste los in Richtung Drottningtorg.
    Dann wurde es Grün, aber da konnte ich ihn nicht mehr sehen, und ich dachte mir, die Hotelleitung wird diese Zeche sicher verschmerzen können. Ich dachte also nicht mehr daran und ging nach Hause.« Sie machte eine kurze Pause. »Ja, und als ich dann auf der anderen Straßenseite war, kamen Leute aus dem Hoteleingang gerannt und starrten, aber da

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